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Politik: Deutsch-türkische Rüstungskooperation: Still und leise

Mit dem Hinweis auf die schlechte Lage der Menschenrechte in Anatolien lehnt die Bundesregierung immer wieder Rüstungsgeschäfte mit der Türkei ab - und dennoch nehmen die Waffenexporte an den schwierigen Nato-Partner zu.Wirbel entfachen diese Geschäfte kaum noch.

Von Matthias Meisner

Mit dem Hinweis auf die schlechte Lage der Menschenrechte in Anatolien lehnt die Bundesregierung immer wieder Rüstungsgeschäfte mit der Türkei ab - und dennoch nehmen die Waffenexporte an den schwierigen Nato-Partner zu.

Wirbel entfachen diese Geschäfte kaum noch. Den Nachrichtenagenturen war es am Freitag nur eine kleine Notiz wert, dass die Bundesregierung eine Hermes-Bürgschaft in Höhe von 500 Millionen Mark zusagte, mit der die Türkei ein Patrouillenboot kaufen kann. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums bestätigte kurz und knapp einen Bericht der "Bild"-Zeitung, wonach zusätzlich Materialpakete für drei identische Boote geliefert werden, die dann in der Türkei gebaut werden könnten. Die Entscheidung, hieß es noch, sei bereits im vergangenen Frühsommer gefallen.

Im Windschatten der heftig umstrittenen Panzer- und Munitionsgeschäfte mit Ankara konnte sich der weitaus umfangreichste Bereich in der Rüstungszusammenarbeit ohne große Diskussionen oder politische Vorbehalte entwickeln: Bei der Lieferung von Kriegsschiffen an die Türkei gibt es auch unter der rot-grünen Bundesregierung keine Zurückhaltung. Im Gegenteil. Allein in den vergangenen Jahren wurden Marine-Geschäfte im Wert von mehreren Milliarden Mark abgeschlossen. Die am Freitag publik gewordene Zusage zur Lieferung von Schnellbooten gehört dazu.

Empörung bei grünen Friedensfreunden? Kaum vernehmbar. Die Bundestagsabgeordnete Claudia Roth, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, spricht zwischen ihren Einkäufen auf dem Memminger Wochenmarkt ein paar Sätze Empörung ins Handy: Die Türkei brauche Hilfe beim Wiederaufbau zerstörter Regionen. Gelder für die militärische Aufrüstung seien "absolut das Falsche", das gelte für sie "ohne Wenn und Aber". Ende der Aufregung. Die Rüstungsausfuhren Deutschlands verdoppelten sich 1999 auf mehr als 2,8 Milliarden Mark - und die Türkei war dabei ein Hauptempfänger deutscher Waffen. Rüstungsgüter im Wert von 645 Millionen Mark wurden an Ankara geliefert. Für die nächsten Jahre wurde Ankara noch viel mehr zugesagt: Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung wurden 1999 Rüstungsexporte an den Nato-Partner Türkei im Volumen von 1,909 Milliarden Mark genehmigt. Doch für Streit sorgte nur ein relativ kleiner Teil dieser Summe, denn rund 98 Prozent davon entfielen auf Marine-Exporte wie Kriegsschiffe.

Schon seit den sechziger Jahren kauft die türkische Marine so genannte "Kampfschiffe" gerne bei deutschen Werften. Mehr als 30 Schnellboote, Fregatten und U-Boote made in Germany wurden seitdem geliefert. Die Türken sind bis heute Stammkunden geblieben. So gab es auch in den vergangenen Jahren milliardenschwere Geschäftsabschlüsse. 1997 wurde eine Vereinbarung über die Lieferung von Material zum Bau von U-Booten im Wert von knapp einer Milliarde Mark unterschrieben. 1999 folgte ein Vertrag über den Bau von sechs Minensuchbooten für mehr als 1,4 Milliarden, dazu kam im letzten Sommer die Einigung über die Lieferung der Schnellboote für rund eine Milliarde Mark. Vom Kaufinteresse der Türken profitieren norddeutsche Unternehmen wie Blohm und Voss in Hamburg, Howaldtswerke - Deutsche Werft AG in Kiel, Abeking & Rasmussen im niedersächsischen Lemwerder und Lürssen in Bremen.

Die Tatsache, dass in der Türkei die innenpolitisch mächtigen Generäle und Admiräle anders als ihre Kollegen von der Bundeswehr bei Beschaffungsprogrammen nicht sehr aufs Geld achten müssen, hat dazu geführt, dass die türkische Marine teils besser mit modernen deutschen Schiffen ausgerüstet ist als die Bundesmarine. Bei Schnellbooten und Minensuchbooten etwa sind die Türken den Deutschen klar überlegen - dank ihrer Einkäufe in der Bundesrepublik.

Die Grünen-Abgeordnete Roth warnt: "Die starke Macht der Militärs darf nicht noch gefestigt werden." Doch mit dieser klaren Position steht sie ziemlich allein da. Keine Geldsorgen, keine politischen Schwierigkeiten: Obwohl auch die Lieferung von Kriegsschiffen an die Türkei von der Bundesregierung geprüft wird, gilt der Marinebereich als unbedenklich. Anders als beim Leopard-Panzer oder bei der Lieferung von Munition befürchtet Berlin bei Kriegsschiffen nicht, dass die gelieferten deutschen Rüstungsprodukte in innertürkischen Konflikten eingesetzt werden. Ein Kenner der deutsch-türkischen Rüstungsbeziehungen bringt es in Ankara auf eine Formel: "Sie können mit Torpedos eben keine Kurden beschießen."

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