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Zu viel Windenergie kann die Stromnetze belasten.

© IMAGO/Andreas Franke

Deutschlands verlorene Strom-Milliarden: SPD und Grüne drängen Wirtschaftsministerium zu Maßnahmen

Im Winter sind die Stromnetze in Deutschland häufig überlastet, die Steuerzahler kostet das Milliarden. SPD und Grüne machen nun Druck auf Wirtschaftsministerin Reiche beim Netzausbau.

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Trifft die Wettervorhersage zu, könnten die kommenden Tage wieder teuer für Deutschlands Steuerzahler werden. Im Norden des Landes prognostizieren die Meteorologen starke Winde an den Küsten mit Sturmböen. Normales Winterwetter eben, doch für Deutschlands Stromsystem ein Problem.

Denn wenn in diesen Tagen im Norden viel Windkraft produziert und gleichzeitig im Süden der Republik nur wenig Solarenergie gewonnen wird, droht den Netzen eine Überlastung. Zu viel Strom muss vom Norden zur energieintensiven Industrie in den Süden. Die Folge: Die Windparks im Norden müssen herunter- und Gas- und Kohlekraft im Süden hochgefahren werden.

Redispatch heißt dieser Vorgang im Fachjargon, den eine Tagesspiegel-Recherche ausführlich beschreibt. Den Steuerzahler kostet sie Milliarden, denn die Betreiber der Windparks müssen entschädigt werden und die Betreiber der Kraftwerke bekommen Geld dafür, dass ihre Anlagen in der Reserve gehalten werden.

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Milliarden Euro teuer waren Redispatch-Maßnahmen im Jahr 2024.

Drei Milliarden Euro kosteten die Eingriffe in den Strommarkt allein im Jahr 2024. In der Energiekrise im Jahr 2022, als Gas besonders teuer war, stiegen die Redispatchkosten sogar auf vier Milliarden Euro an. Das Wirtschaftsministerium „verfolgt eine Vielzahl von Maßnahmen, um Netzengpässe zu reduzieren und in Folge die Redispatchkosten zu senken“, teilt ein Sprecher auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Dazu zählt er unter anderem den Netzausbau, die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für neue Trassen und die Optimierung des Bestandsnetzes auf. „Darüber hinaus werden derzeit Lösungen erarbeitet für zentrale Hemmnisse beim Netzausbau, beispielsweise Engpässe bei Produktionskapazitäten oder Dienstleistern“, so der Sprecher.

Doch selbst in der schwarz-roten Koalition scheint man damit nicht zufrieden. „Wir brauchen mehr Tempo beim Aufbau eines modernen und leistungsfähigen Stromnetzes“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Armand Zorn, dem Tagesspiegel. Die Absenkung der Redispatch-Kosten sei „zentral“, um die Stromkosten dauerhaft und verlässlich zu senken.

Zorn setzt seine Hoffnungen vor allem in belastbare Stromnetze. „Ich erwarte, dass das Bundeswirtschaftsministerium nun zügig eine Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes auf den Weg bringt, in dem der Bau zusätzlicher Stromautobahnen beschlossen wird“, sagte der SPD-Politiker. Zudem müsste auch die Kraftwerksstrategie, die seit vielen Monaten Thema ist, nun umgesetzt werden.

Aus der Opposition kommen ähnliche Forderungen. „Damit die Redispatchmengen künftig nicht weiter steigen, muss die Koalition jetzt den Bau neuer Stromleitungen beschließen“, sagt etwa Grünen-Politiker Alaa Alhamwi, der für seine Fraktion im Bundestag im Ausschuss für Energie und Wirtschaft sitzt.

Für den zügigen Netzausbau müssten sich Union und SPD jedoch einigen, ob die Leitungen weiter unter der Erde verbaut werden müssen oder ob sie als Freileitung gebaut werden dürfen. „Es ist fatal, dass die Koalition diese Debatte totschweigt und sich scheinbar nicht entscheiden will“, kritisiert Alhamwi.

Koalition gegen regionale Strompreise – wohl auch wegen Bayern

Er fordert zudem, dass Netzengpässe durch Preissignale sichtbar werden müssten. Eine Idee, die dazu führen könnte, dass sich Unternehmen vermehrt im stromreichen Norden ansiedeln könnten. Der Strom müsste folglich nicht durch die gesamte Republik transportiert werden.

Es ist fatal, dass die Koalition diese Debatte totschweigt und sich scheinbar nicht entscheiden will.

Grünen-Politiker Alaa Alhamwi will Klarheit, ob Stromkabel wieder oberirdisch verbaut werden.

Doch davon wollen Union und SPD nichts wissen, im Koalitionsvertrag hat man sich gegen regionale Strompreise ausgesprochen. Wohl auch, weil dann vor allem im CSU-geführten Bayern die Strompreise kräftig steigen würden. „Die Regierung muss daher klar benennen, wie sie stattdessen regionale Preissignale setzen will, um Netzengpässe wirksam abzubilden“, sagt Grünen-Politiker Alhamwi.

Im Wirtschaftsministerium lehnt man diese Idee entschieden ab. Alle deutschen Verbraucher würden bei den Strompreisen von der hohen Liquidität des deutschen Strommarkts profitieren, sagte ein Sprecher. „Darüber hinaus profitieren die deutschen Verbraucher beim Erhalt der einheitlichen Gebotszone weiterhin von den jeweils besten Erzeugungsbedingungen innerhalb der großen deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone.“ Was er nicht sagt: Im Winter sind die besten Erzeugungsbedingungen in Deutschland manchmal gar nicht so gut.

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