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Welt mit Schwimmweste. Greenpeace ging es vor dem Brandenburger Tor nicht um ertrinkende Flüchtlinge im Mittelmeer, sondern um den Klimawandel.

© Paul Zinken/dpa

Klimaschutz: „Dicke, fette Steuer auf Kohlendioxid“

Die Industriestaaten-Organisation OECD schlägt beim Klimadialog einen hohen Preis auf Kohlenstoff vor. Generalsekretär José Ángel Gurria hält eine CO2-Steuer für die effektivste Lösung.

Um den „Elefanten“ wolle sie „sich kümmern“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag beim Petersberger Klimadialog in Berlin. Zu diesem Zeitpunkt hatten 35 Umweltminister und Klimaverhandler aus G-20- Staaten und einigen vom Klimawandel besonders betroffenen afrikanischen Ländern und Inselstaaten ein einhalb Tage lang über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens diskutiert. Der „Elefant“ – der abwesende US-Präsident Donald Trump, der nie beim Namen genannt wurde, sondern auf den allenfalls als „Elefant im Raum“ Bezug genommen wurde – schwebte dennoch ständig über den Debatten. Denn solange er sich nicht entschieden hat, ob die USA Teil des Pariser Abkommens bleiben oder nicht, stehen viele Debatten unter Vorbehalt.

Judith G. Garber, im Außenministerium seit Kurzem für die Ozeane zuständig, nahm am Petersberg-Dialog teil. Vielmehr, sie hörte zu, wie immer mehr Minister versuchten, ihr zu entlocken, was von Washington zu erwarten sein wird. Irgendwann meldete sie sich dann zu Wort und sagte, was sie sagen musste: Die Klimapolitik werde gerade überprüft, entschieden sei noch nichts.

Der Premierminister von Fidschi, Frank Bainimarama, sprach sein Unbehagen am Ende des Dialogs dann doch – wenn auch namenlos – aus. Die „neue amerikanische Regierung“ sei „eine Herausforderung“, meinte er. Er habe aber um den Tisch herum „viel Macht und viel guten Willen“ erlebt. Bainimarama, der Gastgeber des 23. Weltklimagipfels im November in Bonn sein wird, ist jedenfalls zuversichtlich, dass der Klimaschutz zur Not auch ohne den Elefanten weiter gehen wird. Das sieht auch der Generalsekretär der Industriestaaten-Organisation José Ángel Gurria nicht anders. Er stellte den Ministern am Morgen eine Studie vor, die für alle Staaten der Gruppe der 20 größten Ökonomien (G20) Vorteile in einer schnell wirksamen und entschlossenen Klimapolitik nachweist. Der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft, und eine Umsteuerung der Investitionen in eine klimaverträgliche Infrastruktur führe schon 2020 zu einem höheren Wachstum, als wenn alle ihren bisherigen Wachstumspfaden folgen würden. Lediglich zehn Prozent müssten sie auf ihre Investitionen aufschlagen, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, sagte Gurria. Und der einfachste Weg, das umzusetzen sei eine „dicke, fette Steuer auf Kohlendioxid (CO2)“.

Umwelt-Superstar Hulot hält Hof

Neben Merkel profilierten sich in diesen klimapolitisch unsicheren Zeiten auch Chinas Chefklimaverhandler Xie Zhenhua und Kanadas Umweltministerin Catherine McKenna. Merkel lobte die chinesische Klimapolitik für ihre Effizienzfortschritte beim Energieverbrauch. „Selbst wenn man den Klimawandel nicht für ein Problem hält, tut man da noch etwas Gutes“, um die eigene Wirtschaft zu modernisieren, sagte sie mit Blick nach Washington. Sie kündigte an, vor dem G-20-Gipfel „klug und zurückhaltend“ für ihr Klimaanliegen zu werben, „damit es nicht allein deshalb schon abgelehnt wird, weil es angesprochen wurde“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verstehen sich gut, wenn es um das Klima geht. Sonst gebe es schon Differenzen im Detail, scherzte Merkel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verstehen sich gut, wenn es um das Klima geht. Sonst gebe es schon Differenzen im Detail, scherzte Merkel.

© Kay Nietfeld/Reuters

Catherine McKenna beschrieb sichtlich begeistert, dass Kanada bis 2018 Kohlendioxid mit einem spürbaren Preis belegen will. Ihr Land werde für die Umsetzung des Paris-Abkommens kämpfen, kündigte sie an. Das will auch Nicolas Hulot, der vor wenigen Tagen vom Fernseh-Star und Umweltaktivisten zum Minister berufen worden ist. Hulot bezeichnete sich als „Hüter des Paris-Abkommens“ und warb wortreich für seine Umsetzung. Sein Chef, der neu gewählte Präsident Emmanuel Macron hat ihn mit einiger Macht ausgestattet - er ist Vize-Premier - und im Kabinett klargestellt, dass sich die anderen Minister mit Hulot abstimmen müssten. Es gehe nicht um die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels sondern 1,5 Grad Erhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit sei der Orientierungspunkt sagte Hulot. Denn „mit der Zukunft lassen sich keine Kompromisse schließen“, sagte er mit Blick auf die kleinen pazifischen Inselstaaten und das Horn von Afrika, die schon heute unter den Folgen des Klimawandels leiden. 

China in Führung - nicht ganz freiwillig

Xie Zhenhua tat sich mit seiner Rolle als Vertreter der Ersatzführungsmacht im Klimaschutz sichtlich schwerer als Hulot. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatte der chinesische Präsident Xi Jinping die Linie vorgegeben: Wenn die USA als Führungsmacht beim Klimaschutz ausfallen sollten, steht China bereit. Beim Petersberger Klimadialog am Montag in Berlin zeigte sich allerdings, dass diese Vorgabe in der Praxis nicht einfach umzusetzen ist - nicht einmal für einen erfahrenen Klimadiplomaten wie Xie Zenhua, der seit mehr als einem Jahrzehnt die chinesischen Interessen in internationalen Verhandlungen vertritt.

Am Montagmorgen trat Xie gemeinsam mit der Gastgeberin, Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), vor der Presse auf. Hendricks sparte nicht mit Komplimenten: "China spielt eine entscheidende Rolle" bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, sagte sie. Denn China habe erkannt, dass der Klimaschutz ein Modernisierungsprogramm für die Wirtschaft sei, ebenso wie Deutschland, fügte sie noch hinzu. Auch Xie war gewohnt charmant: "Bis 2020 werden in China fünf Millionen Elektroautos auf den Straßen sein - und in Deutschland eine Million." Hendricks hatte betont, sie wolle - im Gegensatz zur Kanzlerin Angela Merkel (CDU) - das Ziel der einen Million E-Autos bis 2020 "nicht aufgeben".Doch als Xie sich mit Fragen konfrontiert sah, wie der, wie sein Land die tiefgreifenden Veränderungsprozesse in der chinesischen Wirtschaft bewältige, da flüchtete sich Xie in ein kompliziertes Zahlenwerk - und beantwortete die Frage nicht. Wie früher, als China sich noch strikt weigerte, als Führungsnation wahrgenommen zu werden. Doch sollte der amerikanische Präsident Donald Trump tatsächlich den Ausstieg seines Landes aus dem Paris-Abkommen anstreben, wird Xie und dem Rest der Führungsriege in China gar nichts anderes übrig bleiben, als einzuspringen. Doch am Montag verhedderte sich Xie in den Zahlen und Fakten des chinesischen Klimafortschritts, als eigentlich alle mitgerissen werden wollten. 

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