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Politik: Die Ärmsten und die Zweitärmsten

Berlin und Brüssel streiten ums Geld – die ostdeutschen Bundesländer kämpfen um ihre EU-Förderung

Von

Von Albert Funk

und Antje Sirleschtov

Im Streit der Bundesregierung mit der EU-Kommission um die Finanzzuweisungen der europäischen Mitgliedsländer an die Brüsseler Gemeinschaftskasse fürchten nun die Ostdeutschen, zwischen den Streitparteien zermahlen zu werden. Hintergrund ist die Drohung der Brüsseler EU-Kommissarin Michaele Schreyer (Grüne), ab 2007 die EU-Förderung für die neuen Bundesländer einzustellen, wenn die Bundesregierung weiterhin darauf besteht, die jährlichen EU-Ausgaben bei einem Prozent des gemeinsamen Bruttoinlandsproduktes festzuschreiben. In einem Interview mit der „Financiel Times Deutschland“ hatte Schreyer ihre Drohung damit begründet, dass Brüssel nicht mehr über genügend Geld verfügen würde, um neben den – bedürftigeren – osteuropäischen Beitrittsländern auch noch die deutschen Ost-Bundesländer zu unterstützen. Die EU-Kommission legt voraussichtlich am Mittwoch die Planung für die Finanzperiode 2007 bis 2013 vor.

Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer warnte am Sonnabend die Kommissarin vor einem solchen Schritt. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Ärmsten zu Lasten der Zweitärmsten gefördert werden“, sagte Böhmer dem Tagesspiegel am Sonntag. Er warnte davor, dass Ostdeutschland in einem solchen Fall „zwischen alle Stühle“ der osteuropäischen Förderländer und des reicheren Westens geraten werde.

Der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) warf Finanzminister Hans Eichel (SPD) vor, das Bemühen der EU-Kommission um eine Anschlussregelung für die Förderung Ostdeutschlands nach 2007 zu ignorieren. „Die Bundesregierung übersieht das große Problem, das sich für die jungen Länder durch die EU-Vergrößerung ergibt“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Weil die ostdeutschen Länder nur rein statistisch gesehen reicher würden, drohten sie ihre Ziel-1-Förderung zu verlieren. „Die Europäische Kommission hat dieses Problem erkannt und ist bereit, eine Anschlussregelung zu finden. Die Bundesregierung ignoriert das.“ Dabei gehe es nicht nur um die Fördermittel aus Brüssel, „sondern es geht vor allem um die Möglichkeit, weiterhin Industrieansiedlungen im bisherigen Umfang auch mit nationalen und regionalen Mitteln fördern zu können“, fügte Althaus hinzu.

Dass die EU-Kommissarin jetzt im Streit mit Eichel die ostdeutschen Fördermittel zum Faustpfand macht, kritisierte der Sprecher des Finanzministers, Jörg Müller, scharf: „Es ist nicht akzeptabel, dass mit einer solchen Drohung einzelne Regionen innerhalb der EU gegeneinander ausgespielt werden.“

Eichel selbst erinnerte in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ daran, dass Deutschlands Beitrag an die EU von gegenwärtig 22 Milliarden Euro bis 2013 auf 33 Milliarden Euro steigen werde, selbst wenn die geforderte Obergrenze von einem Prozent der Wirtschaftsleistung eingehalten werde. Mit der EU-Kommission werde es deshalb „von deutscher Seite knallharte Verhandlungen geben.“ Die Kommission könne Deutschland nicht einerseits zu Sparauflagen zwingen, andererseits aber zusätzliche Milliarden verlangen.

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