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Ukrainische Soldaten des Khartia-Bataillons patrouillieren an der Frontlinie im Nordosten der Ukraine.

© picture alliance/dpa/AP

Tag 140 im Ukraine-Krieg: Die Front friert ein – friedlich wird es deshalb nicht

Wie Getreideexporte möglich werden sollen, Frankreich will auf Putins Gas verzichten und viele tote Zivilisten bei russischem Angriff. Der Überblick am Abend.

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Nun könnte eintreten, was Experten schon seit Wochen vorhersagen: Der Frontverlauf friert für einige Zeit weitgehend ein. Heute stellte der britische Militärgeheimdienst in seinem täglichen Lagebriefing fest, dass es in den vergangenen drei Tagen keine nennenswerten Eroberungen gegeben habe, weder von der ukrainischen noch von der russischen Armee. 

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Zwar beschießen sich beide Seiten weiter, aber auch hier ist die Aktivität stark zurückgegangen und hat sich verlagert. Das Feuer der russischen Artillerie nimmt ab, das der Ukrainer zu.

Wie lange diese Phase dauert, ist nicht abzusehen. Die russischen Truppen scheinen damit beschäftigt zu sein, ihre Einheiten nach den verlustreichen Kämpfen im Donbass aufzustocken. Zudem müssen sie sehen, wie sie ihre Nachschubwege gegen Angriffe absichern. 

Die Ukrainer wiederum bringen sich im Süden des Landes für ihre geplante Offensive in Stellung. Im Donbass werden sie ihre Verteidigung festigen. Wie, wo und in welcher Form beide Truppen wieder in die Großoffensive gehen, wird viel über ihren Zustand verraten - und wahrscheinlich über den Kriegsverlauf in den kommenden Monaten.  

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Großteil der Deutschen für Gleichbehandlung bei Energieknappheit: Eine Umfrage für den Tagesspiegel zeigt, was sich die Bürger im Falle eines Gasengpasses wünschen. Weder Privathaushalte noch Industrie sollen bevorzugt werden. Mehr hier. 
  • Diese Schritte plant die EU-Kommission im Falle eines Gas-Lieferstopps: Ein EU-Entwurf sieht vor, dass Büros und öffentliche Gebäude dann nur noch bis 19 Grad beheizt werden sollen. Schon jetzt seien Schritte notwendig. Mehr hier. 
  • Griechenland lädt Deutsche zum Überwintern ein: Viele Menschen machen sich wegen einer drohenden Gasknappheit Sorgen. Griechische Politiker laden nun krisenmüde Deutsche zur Überwinterung in ihr Land ein. Mehr hier. 
  • Noch immer hängen die ukrainischen Getreideexporte aufgrund der russischen Seeblockade im Schwarzen Meer in den Häfen fest. Gestern erzielten türkische und russische Verhandler jedoch einen ersten Erfolg zur Wiederaufnahme der Exporte. Wie das „Wallstreet Journal“ berichtet, soll zunächst in Istanbul ein Koordinationszentrum für die Getreideexporte eingerichtet werden. Ukrainische Schiffe sollen Getreide von drei ukrainischen Häfen ausführen. Ein Waffenstillstand für einen entsprechenden Seekorridor soll die Sicherheit der Schiffe garantieren. Zudem soll die Schiffsroute von Seeminen befreit werden. Mehr in unserem Newsblog. 
  • Frankreich wird nach den Worten von Präsident Emmanuel Macron so bald wie möglich komplett auf russisches Erdgas verzichten. In einem Fernsehinterview am Nationalfeiertag sagte Macron, das Land habe bereits neue Lieferquellen erschlossen und die Vorräte aufgestockt. Der Verbrauch sei zudem im Vergleich zum Vorjahr "ein bisschen" zurückgegangen.
  • Die Südukraine wird einem russischen Beamten zufolge über einen möglichen Anschluss an Russland abstimmen. Das Referendum sei für den Frühherbst geplant, kündigt Jewgeni Balizky, der oberste russische Beamte in der teilweise unter russischer Kontrolle stehenden Region an.
  • Knapp fünf Monate nach dem Angriff auf die Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Weg freigemacht für eine stärkere Ausrichtung der russischen Wirtschaft auf Bedürfnisse der Armee. Der Kremlchef unterzeichnete am Donnerstag ein Gesetz, das der Regierung „Spezialmaßnahmen“ für Militäreinsätze im Ausland erlaubt. Damit können einzelne Branchen zur Belieferung der Streitkräfte verpflichtet werden.
  • Litauen hat den Streit über den Transitverkehr in die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad für beendet erklärt. Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte sagte am Donnerstag in Vilnius: „Es ist nicht vernünftig, unsere Zeit und Aufmerksamkeit ablenken zu lassen und zu diskutieren, ob eine Kilotonne Stahl per Bahn aus einem Teil Russlands in die Region Kaliningrad transportiert werden kann.“ 
  • Die deutschen Gas-Speicher haben sich nach der Sperrung der Pipeline Nord Stream 1 am Montag nicht weiter gefüllt. Von Montag auf Dienstag sank der Speicherstand erstmals seit April wieder leicht, wie aus Daten der europäischen Speicherbetreiber und der Bundesnetzagentur hervorgeht. Die Speicher sind im Schnitt jetzt zu rund 64,5 Prozent gefüllt.
  • Bei einem russischen Raketenangriff sind im Zentrum der ukrainischen Großstadt Winnyzja im Westen des Landes nach ukrainischen Angaben mindestens 20 Menschen getötet worden. Weitere 90 Menschen seien verletzt worden, teilte der Vizechef des Präsidentenbüros in Kiew, Kyrylo Tymoschenko, am Donnerstag mit. Nach Angaben des Zivilschutzes wurden 14 Menschen in Krankenhäuser gebracht. Drei Raketen sollen in einem Bürozentrum eingeschlagen sein.
  • Der frühere Bundespräsident und ehemalige Pfarrer Joachim Gauck würde in einem Verteidigungsfall notfalls auch selbst zur Waffe greifen. „Ich würde mir wünschen, es nicht tun zu müssen“, sagte Gauck am Mittwochabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Aber in einem solchen Fall würde ich es tun. Man dürfe nicht „vor den Gewissenlosen kapitulieren“, so Gauck.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Waffen mit mehr Reichweite, mehr Präzision: Die nächste Phase des Krieges und was sie für die Ukrainer bedeutet

2. Langer Krieg mit Russland: „Die Ukraine wird nur Erfolg haben, wenn der Westen seine Waffenproduktion hochfährt“

3. Lieferstopp-Rechner: Reicht das Gas im Winter trotz Importstopp aus Russland?

4. Sergej Gerassimow im Interview: „Selenskyjs größter Fehler war, die Besetzung der Südukraine zuzulassen“

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