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Politik: Die frühere Staatssekretärin auf der Hardthöhe, Agnes Hürland-Büning, hat kräftig mitkassiert

Erst schüttelt Helmut Reul den Kopf, dann verdreht er die Augen und schließlich hebt er die Hände, als wenn er irgendeinen Angriff abwehren wollte. "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen", sagt er schließlich und wiederholt dieses "Nein" in kurzen Abständen gleich mehrfach.

Erst schüttelt Helmut Reul den Kopf, dann verdreht er die Augen und schließlich hebt er die Hände, als wenn er irgendeinen Angriff abwehren wollte. "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen", sagt er schließlich und wiederholt dieses "Nein" in kurzen Abständen gleich mehrfach. Dabei war der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU nur gefragt worden, ob er auch schon davon gehört habe, dass seine umtriebige Parteifreundin Hürland-Büning bei einem Unternehmen, das 1996 Bundeseigentum kaufen wollten, ihre "nützlichen Dienste" angeboten habe.

Dieses "Nein" wiederholt Herbert Reul noch einige Male. Er kann sich das nicht vorstellen und er möchte sich das auch nicht vorstellen müssen. Etwas unruhig wird der Generalsekretär allerdings bei dem Gedanken an die anderen Geschäfte seiner Parteifreundin aus Dorsten. Wenn man Reul vor sechs Monaten gefragt hätte, ob er ihr zutraue, mit Weltfirmen Millionengeschäfte über Auslandskonten abzuwickeln, hätte er vermutlich nur schallend gelacht und den Fragesteller für reichlich aufgedreht gehalten. "Agnes, ich wußte ja gar nicht, dass du so eine tolle Beraterin bist", staunte Wolfgang Schäuble, als er von den Millionen hörte, die die ehemalige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium kassierte, nachdem sie die Hardthöhe 1990 verlassen hat.

Ausgerechnet mit Dieter Holzer, einer der Schlüsselfiguren bei der Leunaaffäre, hatte sie einen Beratervertrag abgeschlossen. Mehr als acht Millionen Mark hat sie seither eingenommen und, was neben den Steuerfahndern inzwischen auch die Staatsanwälte hellhörig gemacht hat, einen erheblichen Teil dieser Summen wieder auf Auslandskonten zurücküberwiesen.

Wer sie in diesen Tagen in Dorsten, einer kleinen Stadt am nördlichen Rand des Ruhrgebietes, zu besuchen versucht, staunt wie Wolfgang Schäuble. Am Ende einer Sackgasse liegt ihr verklinkertes Haus, das neben den anderen Eigenheimen höchstens dadurch auffällt, dass es zur Straßenseite kaum Fenster gibt. Agnes Hürland-Büning hat lange Jahre für die CDU im Stadtrat gesessen und manche Entscheidung geprägt. Seit man öffentlich über ihre Geschäfte diskutiert und eine Boulevard-Zeitung sie "Frau Raffzahn" genannt hat, verläßt sie das Haus seltener als früher. Zumindest an den Wochenenden war sie in die Fußgängerzone gegangen, hatte für viele ein freundliches Wort gefunden, die Menschen hatten sich bei "Agnes" für deren Volksnähe bedankt. Dabei war sie eigentlich kein auffälliger Typ: ihre kurzen Haare mit den kleinen Löckchen, die Perlenkette und die weiten Kleider, die die etwas füllige Figur ein wenig kaschierten, sowie ihr ganzes Auftreten ließ kaum erahnen, dass sie auf der Bonner Karriereleiter relativ hoch gestiegen war.

Nach einem kurzen Zwischenspiel in der SPD - "weil ich sozial und sozialdemokratisch verwechselte" - war sie 1964 in die CDU eingetreten. 1972 schaffte sie den Sprung in den Bundestag. Dass es ihr an Selbstbewußtsein nicht mangelte, zeigte die Selbsteinschätzung. Sie sei eine "Spitzen-Hinterbänklerin" kabelt sie an die örtliche Presse und irgendwann musste sie dabei auch Helmut Kohl aufgefallen sein. Obwohl sie im Bundestag als Rednerin keine Spuren hinterlassen hat, sorgte der bei seinem Amtsantritt als Kanzler 1982 dafür, dass "Mutter Agnes", wie sie inzwischen in Bonn hieß, zur parlamentarischen Geschäftsführerin gewählt wurde. Sie kümmerte sich um das alljährliche Spargelessen; Alfred Dregger, der Fraktionschef, schätzte einige Eingeschaften besonders: "Ihre Zuverlässigkeit und ihr Fingerspitzengefühl". Genau deshalb schickte Kohl sie 1987 auf die Hardthöhe, sie wird die erste weibliche Staatssekretärin bei den Männern in Uniform. Auch da kümmerte sie sich um die sozialen Belange und läßt die Offiziere gelegentlich warten, weil sie sich lieber mit den Sorgen und Nöten der Ehefrauen beschäftigte.

Kurz vor ihrem 65. Geburtstag schied sie mit der Wahl 1990 aus Parlament und Amt. In der Öffentlichkeit tauchte sie nur noch selten auf, sie gab Rat in verschiedenen Bundeswehr-Kommissionen. Hinter den Kulissen war sie dafür umso aktiver und bis heute ist ungeklärt, welche Rolle sie wirklich spielte. Von Thyssen erhielt sie fünf Millionen Mark für die Vermittlung eines Immobilienprojektes am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden; Thyssen-Aufsichtsratschef Heinz Kriwet war schockiert, als er kürzlich die Summen hörte. Ein Thyssen-Sprecher konnte nicht beantworten, wofür sie die Millionen eigentlich erhalten habe: "Das fragen wir uns auch." Für ihre Dienst im Zusammenhang mit Leuna waren mehr als eine Million Mark Beraterhonorare fällig, sowohl von Thyssen wie von Elf Aquitaine International in Genf. Bei der Lizenz von e-plus, ebenfalls von Thyssen-Handel unter dem damaligen Vorstandschef Dieter Vogel beantragt, kassierte Frau Hürland mit; dieses Mal eine halbe Million Mark. Sie selbst wehrt alle Fragen nach den Honoraren ab:"Man hat mir zu viel angetan, ich beende jetzt das Gespräch". Vor den Staatsanwälten wird sie demnächst plaudern müssen, die haben sie längst im Visier, seit man im Kalender Karlheinz Schreibers, neben Holzer der zweiten Schlüsselfigur der Affären, mehrfach ihren Namen gefunden hat. Agnes Hürland-Büning wird nicht beruhigen, dass sie bisher nur als Zeugin vorgesehen ist.

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