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Politik: „Die Kassen müssen die Kosten tragen“

Vogelgrippe: Minister will Geld für Arzneivorräte

Heute diskutieren die Gesundheitsminister der Bundesländer über ihren Umgang mit der Vogelgrippe. Was erwarten Sie sich?

Wir werden den Fall einer möglichen Virusübertragung von Tier auf Mensch besprechen. Und auch die Situation, falls der Erreger durch Mutation von Mensch zu Mensch überspringen sollte.

Für diese Fälle haben die Länder bereits Medikamente gekauft. Allerdings nicht genug, wie Experten kritisieren.

Die Länder waren die Einzigen, die Geld in die Hand genommen haben. Der Bund hat sich zurückgelehnt und nichts gemacht, die Krankenkassen auch nicht. Wir sind in die Bresche gesprungen. Und wir standen unter Druck: Die Arzneihersteller haben uns unter Hinweis auf die weltweite gigantische Nachfrage ein enges Zeitfenster für Bestellungen eingeräumt. Also haben wir für 100 Millionen Euro Tamiflu und Relenza gekauft.

Viele Länder sind aber unter den Empfehlungen geblieben. Ist das nicht fahrlässig?

Die rot-grüne Bundesregierung hat sich damals herausgewunden. Es ist die logische Folge, dass Entscheidungen, die in 16 Länderkabinetten getroffen werden müssen, auch 16-mal unterschiedlich ausfallen können. Aber ohne die Länder hätten wir null. Deshalb sollten wir die, die wenigstens etwas gemacht haben, jetzt nicht öffentlich schelten.

Das klingt, als wäre die Zuständigkeit nicht wirklich geregelt …

In der Tat ist das Grundgesetz an dieser Stelle unklar. Die Verfasser konnten sich natürlich nicht vorstellen, dass einmal solche Medikamente entwickelt werden. Deshalb ist auch die Kostenfrage ungeklärt. Es gab viele Gespräche, ob der Bund nicht wenigstens die Hälfte bezahlt. Aber Seuchen können schnell kommen. Wir brauchen eine Klarstellung.

Wie soll die aussehen?

Der Bund muss über die Höhe der Bevorratung entscheiden.Und die Krankenkassen müssen die Kosten tragen. Impfungen zahlen sie seit eh und je. Es ist nicht einzusehen, warum zwischen Impfstoff und der Bevorratung mit Medikamenten unterschieden wird. Wenn die Kassen die Kosten übernehmen, sind wir so schnell und effizient wie London und Paris. Die Kollegen dort haben das Thema in vier Wochen durchs Kabinett gebracht.

Im Föderalismusstreit haben die Länder auf Eigenständigkeit gepocht. Jetzt sagen Sie: Der Bund soll vorschreiben.

Wir wollen Verantwortung dort, wo wir leistungsfähig sind. Wir sind näher dran am Bürger und an den Seuchenherden. Die Umsetzung von Maßnahmen kann lokal besser erledigt werden, als wenn es deutschlandweit zentral geschähe. Aber die Grundentscheidung, wie viele Medikamente bevorratet werden, die hat der Bund zu treffen.

Muss der Bund im Katastrophenfall nicht auch vor Ort mehr Kompetenzen erhalten, wie ihr Parteikollege Seehofer das fordert?

Ich bin sehr dafür, dass der Bund stärker von seinen Koordinierungsrechten Gebrauch macht. Dazu brauchen wir aber keine Gesetzesänderungen.

Was halten Sie denn vom Katastrophenmanagement auf Rügen?

Ich möchte mich nicht vom Süden Deutschlands aus zum Schiedsrichter über die schöne Insel Rügen aufschwingen. Grundsätzlich gilt: Man muss vorbereitet sein, die Situation frühzeitig erkennen und dann auch den Mut haben, zu sagen, da brauche ich Unterstützung von außen. Da fällt niemandem ein Zacken aus der Krone. Bei der Schneekatastrophe im Bayerischen Wald haben die Landräte blitzartig den Katastrophenfall erklärt und die Bundeswehr angefordert.

Warum hat Bayern seine Arzneivorräte nun nochmals aufgestockt – für 20 Prozent statt für 15 Prozent der Bürger?

Die Tierseuche ist in einer Dynamik nach Deutschland gekommen, die erwarten lässt, dass sich auch Personen anstecken können, die in engen Kontakt mit infizierten Tieren kommen – etwa Tierärzte, Geflügelhalter oder Personen, die zur Tierkörperbeseitigung eingesetzt werden. Außerdem haben wir zwischenzeitlich auch das Feedback der Ärzte. Sie berichten uns von einer derzeit herrschenden „Über- Nachfrage“ nach antiviralen Medikamenten, die es zu kompensieren gilt.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

Werner Schnappauf (52) ist seit 1998 Umweltminister in Bayern. Vor drei Jahren erhielt der CSU-Politiker dann auch die Zuständigkeit für Gesundheit und Verbraucherschutz.

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