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Streit statt wirksame Pandemiebekämpfung im Bundestag. Hier der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

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Corona-Gesetz im Bundestag: Die Parteien begehen gerade die größte Dummheit

Die Debatten zwischen den Ampel-Koalitionären und der Union sind der ernsten Lage nicht angemessen. Zumal in einer politischen Übergangssituation. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Kontroverse Debatten im Bundestag sind eine feine Sache. Es darf gern ein wenig munter zugehen, wenn’s sein muss, auch ruppig. Schlagabtausch ist das A und O einer Parlamentsdebatte. Die Reden sind keine akademischen Kathedervorträge. Sie sind ans Volk gerichtet. Da geht es um klare, einfache Ansagen und Aussagen. Es sollen Unterschiede deutlich werden. Es soll Orientierung geben.

Debatten müssen allerdings auch der jeweiligen Situation angemessen sein. Daran ist der Bundestag am Donnerstag gescheitert. Quer durch das Parteienspektrum haben unnötiger Streit und Profilierungsgehabe das gemeinsame Anliegen überdeckt. Die Lage in dieser sich hinschleppenden und nun wieder schlimmer werdenden Pandemie wird aber verkannt, wenn das Beharken über das Kooperieren gestellt wird. Es gibt Ausnahmen, die scheidende Kanzlerin ist eine.

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Deutschland befindet sich in einer politischen Übergangssituation. Die alte Regierung ist nur noch geschäftsführend im Amt und als Gesetzgebungsorgan praktisch auf Eis gelegt. Eine neue Regierung gibt es noch nicht. Deshalb mussten nun auch die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP ihre Änderungen beim Infektionsschutzgesetz auf dem Eilweg einbringen.

Nicht aneinander vorbei agieren

Der Bundestag ist das oberste Gesetzgebungsorgan, keine Frage. Aber die Umsetzung der Gesetze ist eben Sache von Regierungen. Man kann da schlecht aneinander vorbei agieren. Erst recht nicht, wenn sich wie jetzt gerade eine Krise zuspitzt. Für Diskussionen, ob Parlamente oder Exekutiven den Vorrang haben sollten, wie der Bund mit den Ländern umzugehen hat und umgekehrt, ob die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ weiterhin gelten soll oder nicht, ist angesichts dramatischer Zahlen und Zustände in weiten Teilen der Republik nicht die Zeit.

Die Ampel-Fraktionen sind von der Entwicklung überrollt worden, aber sie wollten sich nicht korrigieren in dem wesentlichen Punkt: Denn es wäre wohl besser gewesen, in einer erkennbaren Notlage den Notlagenbeschluss zu verlängern. Es hätte ein Zeichen gesetzt. Es hätte der Bevölkerung den Ernst der Lage vor Augen geführt. Es hätte zusätzlichen Druck gebracht für das Impfen. Und darauf kommt es im Moment an.

Überflüssige Blockadedrohung

Das Einfordern der Gesetzeskorrektur über eine Blockade im Bundesrat, wie es in der CDU/CSU erwogen wurde, wäre in dieser Übergangsphase auch kein angemessener Weg gewesen. Es kommt zum Glück nicht dazu. Die Union kann sich das Vorführen der anderen Seite über die Länderkammer aufsparen für spätere Gesetze. Sich gegenseitig schwächen zu wollen in einer solchen Situation, ist das Dümmste, was Parteien einfallen kann, die sonst in vielen vielfarbigen Koalitionen aufeinander angewiesen sind.

Nun geht es darum, mit dem nachbearbeiteten Gesetz und den Vereinbarungen in der Bund-Länder-Runde entscheidend voranzukommen. Und zwar in vernünftiger und angemessener, also verhältnismäßiger Weise und je nach regionaler Pandemielage. 2G so weit wie nur möglich, 3G, wo es nicht anders geht – das bringt schon einiges. Auch gezielte Schließungen und Kontaktbeschränkungen muss es geben können, wo das Virus besonders dramatisch um sich greift.

Deutschland braucht einen massiven Impfdurchbruch, um den Begriff einmal abzuwandeln: eine nochmals deutlich höhere Zahl Geimpfter. Und nicht die von den Impfgegnern als Ersatz propagierte Testorgie.

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