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Die Kurden konnten auch einige IS-Kämpfer festnehmen.

© Delil Souleiman/AFP

Kampf gegen den "Islamischen Staat": Die Schlacht um die letzte Bastion des "Kalifats"

500 bis 600 IS-Kämpfer haben sich in einem Dorf verschanzt. Doch US-Soldaten und Kurden attackieren die letzte Hochburg der Islamisten. Endet das "Kalifat"?

In einem kleinen Dorf am Euphrat könnte in diesen Tagen das Schlusskapitel des „Kalifats“ des "Islamischen Staates" in Syrien geschrieben werden.

Amerikanische Kampfjets und kurdische Bodentruppen greifen in der Gegend um die Ortschaft Baghuz im Südosten von Syrien an der irakischen Grenze die letzte Bastion der Terrormiliz an. Schätzungsweise 500 bis 600 IS-Kämpfer haben sich mit ihren Familien in den Dorf verschanzt.

Darunter sind viele kriegserfahrene Extremisten, die sich entschlossen haben, bis zum bitteren Ende Widerstand zu leisten. Ihr Anführer, IS-Chef Abu Bakr al Baghdadi, ist wahrscheinlich jedoch nicht unter ihnen. Er soll geflohen sein, möglicherweise nach einem Attentatsversuch aus den eigenen Reihen.

Das einstige Herrschaftsgebiet ist auf einige Kilometer geschrumpft

Auf dem Höhepunkt ihrer Schreckensherrschaft im Jahr 2015 kontrollierten die Dschihadisten große Teile von Zentral- und Ost-Syrien sowie der westlichen Provinzen des Nachbarn Irak. IS-Fanatiker überrannten Städte wie Rakka in Syrien und Mossul im Irak und erhielten starken Zulauf von Extremisten aus aller Welt. Inzwischen ist ihr Herrschaftsgebiet auf nur wenige Quadratkilometer bei Baghus zusammengeschrumpft.

Der Anfang vom Ende für das „Kalifat“ kam, als sich die USA mit der syrischen Kurdenmiliz YPG verbündeten, um gegen die "Gotteskrieger" vorzugehen. Die Zusammenarbeit wurde erstmals bei der Schlacht um die vom "Islamischen Staat" belagerte Kurdenstaat Kobane erfolgreich erprobt: Anfang 2015 wurden die Islamisten dort zurückgeschlagen.

In den Jahren seither ist der IS durch Luftschläge der USA und anderer westlicher Staaten sowie die Angriffe der kurdischen Verbände am Boden immer weiter zurückgedrängt worden. Im Irak setzten Offensiven der Armee und pro-iranischer Milizen den sunnitischen Fundamentalisten zu.

Die Kurden fühlen sich im Stich gelassen

Trotz des militärischen Erfolges gibt es erhebliche Spannungen innerhalb der internationalen Front gegen den IS: Die Türkei betrachtet die YPG als Terrorgruppe und will nach dem angekündigten Abzug der USA aus Syrien gegen sie vorgehen. Die Kurdenmiliz fühlt sich vom Westen im Stich gelassen.

Derzeit kämpft sie jedoch weiter an Amerikas Seite. Der Widerstand der verbleibenden IS-Trupps bei Baghuz sei erbittert, meldet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Nachrichtenagentur AP berichtet, Landminen und Selbstmordanschläge des IS erschwerten den Vormarsch der Angreifer. Auch würden Einheimische als menschliche Schutzschilde missbraucht.

Die Zivilisten versuchen. sich in Sicherheit zu bringen. Dennoch sind bereits mindestens 16 bei der Schlacht ums Leben gekommen.
Die Zivilisten versuchen. sich in Sicherheit zu bringen. Dennoch sind bereits mindestens 16 bei der Schlacht ums Leben gekommen.

© Fadel Senna/AFP

Die Anti-IS-Koalition hatte vor der Schlussoffensive bei Baghuz eine Woche gewartet, um Zivilisten die Möglichkeit zu geben, die Gegend zu verlassen. Dennoch starben bei Luftangriffen und beim Artilleriebeschuss seit dem Beginn des Angriffs am vergangenen Samstag mindestens 16 Zivilisten, wie die Beobachtungsstelle mitteilte. Mehrere Hundert Frauen und Kinder sind in den vergangenen Tagen aus der IS-Enklave geflohen. Sie werden in Auffanglagern im kurdischen Gebiet Syriens gebracht.

Auch einige Männer haben sich seit dem Wochenende ergeben; sie werden von den Kurden interniert. Nach unbestätigten Berichten bitten einige IS-Mitglieder zudem um freies Geleit in die von islamistischen Rebellen kontrollierte Provinz Idlib im Westen Syriens. Andere Kämpfer lehnen es ab, sich zu ergeben. Fliehen können sie nicht: Pro-iranische Milizen und französische Truppen riegeln die irakische Seite der Grenze ab.

Islamisten operieren im Untergrund

Eine Einnahme von Baghuz durch die Kurden wäre das Ende des „Kalifats“ – aber  nicht das Ende des IS. In der zentralsyrischen Badia-Wüste halten sich noch Verbände der Extremisten, auch wenn sie dort kein Gebiet mehr völlig kontrollieren können.

IS-Anhänger agieren zudem im Untergrund und verüben immer wieder Terroranschläge in Teilen von Syrien, aus denen die Extremisten längst vertrieben worden sind. Mitte Januar tötete ein IS-Selbstmordattentäter im nordsyrischen Manbidsch 18 Menschen darunter vier US-Soldaten.

Wo ist der IS-Chef?

Auch ist unklar, wo sich IS-Chef Baghdadi versteckt hält. Möglicherweise ist der 47-jährige über die syrische Grenze in sein Heimatland Irak geflohen. In Syrien sei Baghdadi jedenfalls wohl nicht mehr, sagte der kurdische Militärsprecher Mustafa Bali der Nachrichtenagentur AFP zufolge.

Die britische Zeitung „Guardian“ berichtete, ausländische IS-Kämpfer hätten im Januar in Baghuz einen Mordanschlag auf Baghdadi verübt, der aber fehlgeschlagen sei. Warum die IS-Kämpfer ihren Anführer töten wollten, blieb unklar.

Nach einem Feuergefecht mit den Attentätern sei Baghdadi schließlich von seinen Leibwächtern in ein Versteck in der Wüste gebracht worden, heißt es im "Guardian" unter Berufung auf Geheimdienstkreise.

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