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Ein Jugendoffizier der Bundeswehr spricht in der Schule. Wenn es nach der Berliner SPD geht, soll es das nicht mehr geben.

© Norbert Millauer/dapd

Hauptstadtlage: Die SPD-Misstrauenserklärung gegenüber der Bundeswehr

"Militärische Propaganda" an Schulen? Die Berliner SPD will Bundeswehr-Veranstaltungen verhindern. Auch im Nachrichtenüberblick: Die Organspenden-Diskussion.

Von Robert Birnbaum

Nur zur Sicherheit: Dies ist kein Aprilscherz! Die Berliner SPD will „militärischen Organisationen“ an Berliner Schulen das Werben für den „militärischen Dienst“ verbieten. Da hierzulande Privatarmeen nicht zugelassen sind, muss wohl die Bundeswehr gemeint sein. Also jene Parlamentsarmee, für die ein Sozialdemokrat – der Abgeordnete Friedrich Beermann – das Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ erfand, für die ein Sozialdemokrat – Hans Apel – im zweiten Traditionserlass den Bruch mit der Wehrmacht vollzog, die von Helmut Schmidt bis Peter Struck fünf Sozialdemokraten als Minister kommandierten und die vier Genossen, aktuell Hans-Peter Bartels, im Namen des Bundestages als Wehrbeauftragte beaufsichtigten. Die Landes-SPD glaubt aber zu wissen, dass Nachwuchswerber und Jugendoffiziere „militärische Propaganda“ betrieben und Minderjährige dafür „anfällig“ seien. In der Bundes-SPD reagieren sie entsetzt auf die dreifache Misstrauenserklärung – an die Soldaten, an die Schüler und an deren Lehrer gleich mit.

Organspenden - eine Frage von Leben und Tod

Der Bundestag wird viel kritisiert für seine oft etwas dröge Debattenkultur. Doch bei Fragen von Leben und Tod hat das Parlament stets seine Qualität bewiesen. Die Neuregelung der Organspende bietet die nächste Gelegenheit. Bisher muss jeder Spender sich aktiv zu Lebzeiten bereit erklären, dass ihm nach dem Hirntod Organe entnommen werden dürfen. Eine überparteiliche Gruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will das Prinzip umdrehen: Jeder soll Spender sein – es sei denn, er hat widersprochen. Um nichts zu übersehen, sollen Verwandte vor dem Eingriff befragt werden, ob sie von einem Widerspruch wissen. Spahn und seine Unterstützer hoffen, dass sich auf diese Weise mehr Menschen ernsthaft und mit positivem Ergebnis mit der Frage befassen, ob ihr sterbender Körper einem leidenden Menschen zum Leben verhelfen soll. Andere sehen durch die Widerspruchslösung das Urvertrauen in den Staat als Beschützer erschüttert. Das Parlament wird die Ängste der Lebenden bedenken müssen, die Rechte der Sterbenden und die Nöte der Leidenden.

Vier Mal "No"

Das britische Parlament wird gerühmt für seine Debattenkultur. Den Hardcore-Brexiteers geht die derzeit zu weit. Gestern erinnerte der Tory Sir Walter Cash drohend daran, dass Oliver Cromwell 1648 das für seinen Geschmack zu selbstherrliche Unterhaus gewaltsam aufgelöst und danach als de facto Diktator regiert hatte. Theresa May ist aber als Feldherrin unbegabt, weshalb Sir Walters Einwurf das Parlament nicht daran hinderte, weiter selbst nach einer Lösung für den Brexit zu suchen. Auch ein Dutzend halbnackter Klimaaktivisten auf der Besuchergalerie hielt die Abstimmung über vier Alternativen zu Mays Deal mit der EU nicht auf.  Doch wieder fielen alle durch – manche klar, der Vorschlag einer Zollunion als Ergänzung zum EU-Vertrag mit drei Stimmen knapp, aber alle noch deutlicher als zuletzt Mays Deal. Nick Boles, einer der Geschäftsführer der Konservativen, trat entnervt aus seiner Partei aus, die zu keinem Kompromiss bereit sei. Da blieb selbst dem immer gut gelaunten Speaker John Bercow nur der Rat, ins Bett zu gehen und morgens mit „frisch aufgeladenen Batterien“ die nächsten Schritte zu überlegen.

Geht es mit Erdogan zu Ende?

Wir Menschen neigen dazu, das, was wir soeben erlebt haben als Gesetzmäßigkeit geradewegs in die Zukunft zu projizieren. Gewinnt in Washington, Budapest und Ankara je ein Nationalpopulist die Wahl, sehen wir prompt ein Zeitalter der Nationalpopulisten vor uns. Die Wirklichkeit verhält sich aber sprunghaft. Recep Tayyip Erdogan erlebt das gerade zu seinem Unmut. Die Hauptstadt Ankara und, viel schlimmer, seine Heimat Istanbul wird künftig von der Opposition regiert. Geht es mit dem Selbstherrlichen zu Ende? Kann sein, nur: Die Wirklichkeit verläuft in Sprüngen.

Die Hauptstadtlage von Maria Fiedler und ihrem Team ist Teil der Tagesspiegel-Morgenlage, dem Nachrichtenüberblick für Politik-Entscheider. Kostenfrei anmelden kann man sich hier.

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