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Siegerlächeln und gute Miene: Merkel und Gabriel.

© imago/Metodi Popow

Sigmar Gabriel gegen Angela Merkel: Die SPD scheitert an ihrem Programm, nicht an der Kanzlerin

Die SPD tut so, als sei allein Angela Merkel der Grund ist für ihre schlechten Umfragewerte. Doch das Problem ist größer: Weder die Rente mit 63 noch der Mindestlohn ergeben ein gutes Programm. Was fehlt, sind intelligente Antworten auf die Globalisierung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Was würde die SPD wohl machen, wenn sie Angela Merkel nicht hätte? Vordergründig mag die Dauerkanzlerin für die Sozialdemokraten ein Ärgernis sein – weil sie den aus ihrer Sicht wohlverdienten Einzug ins Kanzleramt verhindert. Auf den zweiten Blick aber erweist Merkel, deren Mutter Herlind Kasner viele Jahre Sozialdemokratin war, der gegnerischen Parteispitze einen großen Dienst. Die CDU- Chefin muss als Ursache für das dauerhafte Kleben an der 25-Prozent-Marke herhalten. Und kaum jemand widerspricht. Niemandem scheint aufzufallen, dass die SPD schon vor sechs Jahren auf historisch niedrigem Niveau herumkrebste, als Merkel längst noch nicht so populär war wie jetzt.

Die SPD hat es sich in der Vorstellung bequem gemacht, dass gegen die Kanzlerin kein Kraut gewachsen ist – und ihre Politik, obwohl programmatisch richtig, sich bloß deshalb nicht auszahlt. Doch so richtig das Erste sein kann, so wenig muss das Zweite stimmen. Merkels Beliebtheit ist ein Malus für die SPD. Ihre selbst gefeierte Politik aber wirkt eben auch nicht als Bonus bei den Wählern.

Die SPD betreibt vor allem einen Reparaturauftrag in eigener Sache

Alternativlos jedenfalls waren weder die abschlagsfreie Rente mit 63 noch die Mietpreisbremse oder der allgemeine Mindestlohn. Zusammengenommen bedienen alle drei ein diffuses Verlangen nach mehr Gerechtigkeit. Wohl auch deshalb werden sie von einer Mehrheit der Deutschen zumindest nicht für falsch befunden.

Bei näherer Betrachtung allerdings erweisen sich die Errungenschaften der SPD nicht allein als soziale Tat, sondern auch als Reparaturauftrag in eigener Sache. Die vorgezogene Rente sollte die Facharbeiter unter den Babyboomern mit der Müntefering’schen Rentenreform versöhnen. Jüngere Wähler entfremdet sie eher von der Partei. Ähnlich die Mietpreisbremse: Der Kampf um bezahlbare Wohnungen ist besonders in den Metropolen groß. Die werden überwiegend von der SPD regiert. Nicht nur in Berlin haben deren Kommunalpolitiker das Problem des zu geringen Neubaus jahrelang verpennt. Und auch beim Mindestlohn wird die SPD von ihrer eigenen Geschichte eingeholt. Vor Hartz IV nämlich hatte die Höhe der Arbeitslosenhilfe als faktische Lohnuntergrenze gewirkt – die angebliche Jahrhundert-Errungenschaft ist also nicht so epochal, wie Arbeitsministerin Andrea Nahles sie gerne darstellt.

Mit ihrer Agenda in der großen Koalition erweist die SPD sich als erstaunlich retrospektiv. Und gerade nicht als Partei, die entschlossen vorwärts schaut. Sie versucht, dem harten Wind des globalen Wettbewerbs dadurch zu trotzen, dass sie Schutzräume für einzelne Gruppen schafft – und andere (zum Beispiel befristet Beschäftigte) draußen stehen lässt. Dabei vermeidet sie, sich einmal grundsätzlicher mit Chancen und Risiken der Globalisierung auseinanderzusetzen. Entweder sie rennt einigermaßen blind dem Zeitgeist hinterher, senkt Kapitalertrag- und Spitzensteuersätze, wie Gerhard Schröder es tat. Oder sie sucht ihr Heil im Staatsinterventionismus der 70er Jahre, dreht an ein paar Stellschrauben und schafft neue Ungerechtigkeiten.

Mag sein, dass dies mit dem Leistungsfetisch der Sozialdemokraten zusammenhängt. Stärker noch als die FDP ist die SPD dem Motto verhaftet, dass Leistung sich lohnen muss. Diese Gleichung geht in Zeiten der Globalisierung immer weniger auf – was für eine materialistische Partei wie die SPD kränkend sein muss. Der Mindestlohn ist so gesehen nicht nur ein Instrument gegen knausrige Arbeitgeber. Sondern auch ein Aufbäumen gegen die Einsicht, dass Arbeit gegenüber Kapital insgesamt an Wert verliert.

Es gab auch mal eine SPD, die sich nicht allein über den Wohlfahrtsstaat definierte

Es ginge auch anders. Immerhin gab es auch einmal eine SPD, die sich nicht allein über den Wohlfahrtsstaat definierte. Ihr früherer „Vordenker“ Peter Glotz sagte einmal: „Für mich war die SPD (in dieser Reihenfolge) eine Partei der Aufklärung, des wissenschaftlichen Fortschritts, der Bürgerrechte und der sozialen Gerechtigkeit. Die Seele‘ der Partei hing für mich nicht von der Höhe des Kinder- oder Mutterschaftsgeldes ab.“

Partei der Aufklärung zu sein – das hieße nicht, sich von materiellen Fragen komplett zu verabschieden. Es hieße aber zunächst einmal, die Situation richtig zu analysieren, statt kurzfristige Klientelpolitik zu machen. Vielleicht wüsste die SPD dann damit umzugehen, dass die von ihr mitgetragene Bankenrettung gerade auf Kosten jener Durchschnittssteuerzahler geht, die sie eigentlich zu vertreten vorgibt. Oder dass das Problem der hohen Mieten auch eine Folge jener Niedrigzinspolitik ist, die die SPD ansonsten unterstützt, um den Euro zu erhalten.

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