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Wer ist schuld? Stau auf der A 7 Richtung Süden auf der Höhe Bahrenfeld vor dem Hamburger Elbtunnel.

© Markus Scholz / dpa

Wenn der Urlaub im Stau beginnt: Die Untätigkeit der Politik raubt uns wertvolle Lebenszeit

Schon 2012 war klar, dass rund 20 Prozent der Autobahnstrecken sanierungsbedürftig sind. Warum ist seither so wenig geschehen? Ein Kommentar.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Ferienzeit – Stauzeit – Lebenszeit. Staus gibt es ja nicht nur auf den Straßen, sondern im übertragenen Sinn auch auf Flughäfen oder bei der Bahn. Wer hat das noch nicht erlebt, dieses Gefühl: Zeit, die verrinnt, während alles andere steht.

Aber bleiben wir bei den Straßen. Deutschland hat das dichteste Verkehrsnetz in ganz Europa. Das Bundesverkehrsministerium hat rund 12.800 Kilometer Bundesautobahnen, 39.000 Kilometer Bundesstraßen und 34.000 Kilometer Schiene in seiner Obhut.

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Die Länge der Gemeindestraßen schätzen Experten auf bis zu 450.000 Kilometer. Landes- und Kreisstraßen sind zusammengenommen rund 178.000 Kilometer lang. Wenn es inzwischen nicht noch mehr sind; die Angaben sind schon etwas älter.

Und man hat den Eindruck, überall sind kaputte Straßen, Baustellen, schlechtes Baustellenmanagement, auch noch zu Ferienbeginn. Eine Autobahn gen Süden: einspurig. Ohne Ausweichstelle. Neun Kilometer. Wenn da ein Wagen, ein LKW stehen bleibt… Kein Wunder. Und wieder geht Ferienzeit, Lebenszeit dahin.

Der Warnwert ist überschritten

Schon 2012 war klar, dass rund 20 Prozent der Autobahnstrecken und etwa 41 Prozent der Bundesstraßenabschnitte einen Warnwert erreicht oder überschritten haben. Warnwert heißt: Da muss dringend etwas gemacht werden. Zehn Jahre später: Steht es besser um die Verkehrswege in Deutschland? Eher schlechter.

Die Summe der notwendigen Investitionen in die Verkehrswege ist immer wieder Gegenstand von politischem Streit. Da wurde beispielsweise errechnet, dass etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr für die Verkehrswege des Bundes, Bundesstraßen oder Bundesautobahnen, ausgegeben werden müssten.

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Dann kam eine Bund-Länder-Kommission und erklärte, dass für die Sanierung der Verkehrswege des Bundes, der Länder und der Gemeinden insgesamt zusätzliche 7,2 Milliarden Euro jährlich notwendig wären. Und im Koalitionsvertrag einigten sich damals Union und SPD auf – fünf Milliarden. Dass das die Löcher auf Deutschlands Straßen nicht stopfen würde, war klar.

Die Autobahn A23 muss auf einem Teilstück komplett erneuert werden. Es droht massive Staugefahr ab dem 11. Juli.

© Markus Scholz/dpa

Und hier geht es nur um Straßen. Seit mehr als 20 Jahren weisen Experten eindringlich auf die gegenwärtigen und zukünftigen Probleme hin. Marode Brücken etwa, die dazu führen, dass Bahn- und Straßenstrecken ganz oder zeitweise gesperrt werden; mehr als 1000 Fälle, bis zu 1500 waren im Gespräch, und sollten daraufhin Mitte des vorigen Jahrzehnts geprüft werden.

Wut bei den Bahnkunden

Die Fahrspur einer Autobahn schafft, schrieb vor Jahren ein kundiger Bürger, 1500 Autos pro Stunde; sind es mehr, gibt es Stau. Auf dem Gleis einer ICE-Strecke könnten zehn Züge pro Stunde fahren, mit bis zu 1000 Personen – wenn sie könnten. Aber bei dem Zustand der Bahn heute… Gefühlt kein Zug ohne Verspätung oder andere Probleme, die bei den Kunden Wut hervorrufen.

Dabei ist klar: Verkehrsfolgen sind Luftverschmutzung, Klimaveränderungen, Flächenverbrauch, Lärm. „Externe“ Schäden, die summierten sich auch schon vor einem Vierteljahrhundert auf 1235 Euro je Einwohner. Auch das zählt: Für jede Stunde Zeitverlust ist ein Bruttostundenlohn anzusetzen – und daraus entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden.

Deswegen kam die CSU seinerzeit, als sie noch die Bundesverkehrsminister stellten, ja auch auf die „stärkere Nutzerfinanzierung“ bei den Autobahnschäden, auf die vermaledeite Pkw-Maut für Ausländer. Kam ein früherer Ministerpräsident der SPD auf einen höchst umstrittenen „Schlagloch-Soli“ von 100 Euro pro Jahr.

Verwiesen Linke darauf, dass das reichste Prozent – ein Prozent – der Bürger fast sechs Gesamtjahreshaushalte des Bundes an Nettogeldvermögen besitzt. Suchen also immer wieder Politiker nach Geld und guten Plänen, damit es endlich, endlich besser wird. Bis dahin verrinnt wertvolle Lebenszeit. Vielleicht ist das Wort vom ökologischen Fußabdruck auch so zu verstehen: dass alles nur langsam, Schritt für Schritt, besser wird.

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