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Die Wulff-Affären: Vom Hauskredit bis zum Bobbycar

Die Vorwürfe gegen Christian Wulff sind zahlreich. Dabei fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Welches Gewicht haben die Anschuldigungen?

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Seit neun Wochen steht Christian Wulff nun schon im Scheinwerferlicht einer kritischen Öffentlichkeit. Die Vorwürfe türmen sich auf – von Krediten für sein privates Haus über umstrittene Upgrades in Flugzeugen bis hin zu der Frage, ob der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen im Jahr 2010 das Parlament in Hannover belogen hat.

Urlaub auf Sylt

Beim neuesten Vorwurf geht es um seine Beziehung zu dem Berliner Medienunternehmer David Groenewold. Der Filmproduzent hatte Ende Oktober 2007 mit Wulff und seiner Frau Bettina Urlaub im „Hotel Stadt Hamburg“ auf der Nordseeinsel Sylt gemacht und die Gesamtrechnung per Kreditkarte bezahlt, berichtete die „Bild“-Zeitung am Mittwoch. Dass Groenewold Christian Wulff dadurch einen persönlichen Vorteil verschafft haben könnte, wies Wulffs Anwalt Gernot Lehr scharf zurück. Wulff habe, so Lehr, den ihn betreffenden Teil der Rechnung bei der Abreise in bar an Groenewold bezahlt. Doch es gibt noch einen weiteren Verdacht, über den die Zeitung schreibt – den der Vertuschung einer Vorteilsnahme. Groenewold hat nämlich am 16. Januar 2012, also knapp fünf Jahre nach dem Urlaub mit Wulff, im „Hotel Stadt Hamburg“ angerufen, eine Kopie der damaligen Rechnung sowie die Zusage des Hotelpersonals erbeten, keine Informationen über den Urlaub an Journalisten herauszugeben. Das hat Hoteldirektor Bernd Knochenhauer am Mittwoch auch bestätigt. Genauso wie einen persönlichen Besuch Groenewolds am 19. Januar. „Wir geben nie Rechnungskopien auf Anruf heraus“, sagt der Hotelmanager, weshalb der Wulff-Freund Groenewold die Kopie persönlich abgeholt habe. Berichte über einen Versuch des Unternehmers, Quittungen, Meldescheine und Ähnliches an sich zu nehmen, wies der Hoteldirektor jedoch zurück. „Weder hat Herr Groenewold das verlangt, noch hätten wir einem solchen Ansinnen stattgegeben“, sagte Knochenhauer am Mittwoch. Dass sich der Filmproduzent Groenewold von der Freundschaft zum Ministerpräsidenten Wulff geschäftliche Vorteile versprach, wies auch dessen Anwalt zurück und drohte mit presserechtlichen Konsequenzen. Weder sei Groenewold an der in Rede stehenden Landesbürgschaft beteiligt gewesen, noch sei diese überhaupt zum Tragen gekommen.

Groenewolds Anwalt Christian-Oliver Moser sagte dem Tagesspiegel, er habe diesem geraten, sich die Hotelquittung zu besorgen: „Wir wollten die Situation von damals auf Sylt aufklären und dokumentieren, falls es weitere Anfragen der Presse dazu gibt. Aus dem gemeinsamen Aufenthalt haben wir gegenüber der Presse nie ein Geheimnis gemacht. Deshalb gab ich meinem Mandanten den Rat, sich eine Kopie der Rechnung zu besorgen. Die Originalrechnung konnte er mehr als vier Jahre später nicht mehr finden. Herr Groenewold hatte ohnehin einen Termin auf Sylt, deshalb passte ihm das gut.“

Fazit: Die Staatsanwaltschaft Hannover untersucht, ob ein Anfangsverdacht für eine Vorteilsnahme durch Wulff und den Versuch der Vertuschung dessen gegeben ist. Der Fall Groenewold ist noch nicht ausgestanden.

Hauskredit I

Am 13. Dezember 2011 war bekannt geworden, dass Wulff für die Finanzierung seines Hauses im niedersächsischen Burgwedel 2008 einen Kredit von der Ehefrau des Unternehmers Egon Geerkens über 500 000 Euro erhalten hatte. Anlass der Kreditaffäre ist eine Aussage Wulffs 2010 vor dem niedersächsischen Landtag. Zwei Abgeordnete der Grünen wollten vom damaligen Ministerpräsidenten wissen, ob Wulff geschäftliche Beziehungen zum Unternehmer Geerkens oder einer Firma mit seiner Beteiligung habe. Wulff verneinte das. Mittlerweile ist bekannt, dass das formal zwar korrekt gewesen sein mag, dass Egon Geerkens jedoch sowohl wirtschaftlich als auch bei der Abwicklung des Kredits hinter seiner Frau Edith gestanden hat. Wulff hat den Kredit der Geerkens’, die er als alte Freunde der Familie bezeichnet, später bedauert und auch erklärt, die Anfrage der Grünen im Landtag 2010 zwar „korrekt beantwortet“ zu haben. Dennoch sehe er inzwischen, „dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte“.

Fazit: Tauchen keine neuen Sachverhalte in dieser Sache auf, ist die Hauskredit-Affäre I für Wulff juristisch wohl ausgestanden.

Hauskredit II

Im Zusammenhang mit dem Haus steht eine zweite Affäre. Dabei handelt es sich um die Ablösung des Privatkredits durch eine Finanzierung bei der Baden-Württembergischen Landesbank, der BW- Bank. Wiederum auf Vermittlung des Unternehmerfreundes Geerkens schloss Wulff kurz nach Bekanntwerden des Privatkredits im März 2010 eine Finanzierung über rund 500 000 Euro in Form eines so genannten rollierenden Geldmarktdarlehens ab. Dabei handelt es sich um ein kurzfristiges Darlehen (meist ein bis drei Monate), bei dem der Darlehensnehmer nur den Basiszins Euribor plus eine Bankmarge bezahlt. Diese Zinsen waren nach der Finanzmarktkrise gerade 2010 außerordentlich niedrig (zwischen 0,3 und 2 Prozent). Wulff musste dafür allerdings das Risiko plötzlicher Zinssprünge tragen. Experten gehen davon aus, dass nur vermögende Kunden oder solche mit guten Beziehungen so einen Kredit erhalten. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüfte, ob die BW-Bank Wulff eine Finanzierung zu Vorzugskonditionen eingeräumt hatte, das Gleiche prüfte intern auch die BW-Bank selbst. Das Ergebnis: Die Staatsanwälte sahen keinen Anfangsverdacht. Die bankinterne Prüfung ergab, Wulff habe das Darlehen zu durchaus banküblichen Zinsen erhalten.

Fazit: Der Anschein einer Vorteilsnahme durch Christian Wulff mag bis heute bestehen, juristisch ist die Hauskredit-Affäre II wahrscheinlich ausgestanden.

Nord-Süd Dialog und Audi-Affäre

Nord-Süd-Dialog I

Zunächst der Fall Olaf Glaeseker: Wulff war als Regierungschef in Niedersachsen Schirmherr der Promi-Partys, die zwischen 2007 und 2009 drei Mal stattgefundenen haben und die der Partymanager Manfred Schmidt organisiert hatte. Mittlerweile wird gegen Wulffs ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker wegen des Vorwurfs ermittelt, er habe Schmidt aus der Staatskanzlei Hannover „gefällig“ dabei unterstützt, Sponsoren für die Party zu finden und sei dafür von Schmidt mit Gratisurlauben belohnt worden.

Fazit: Wenn sich der Verdacht gegen Glaeseker erhärtet, wird die Frage interessant, ob und wie viel dessen Chef, Christian Wulff, davon wusste. Im schlimmsten Fall könnten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf Wulff ausgedehnt werden. Für den Inhaber des Amtes des Bundespräsidenten kaum zu ertragen. Wulff übrigens kennt Schmidt sehr gut, am Abend seiner Wahl zum Bundespräsidenten besuchte er eine von Schmidt eigens für ihn veranstaltete Party am Brandenburger Tor.

Nord-Süd-Dialog II

Im Rahmen des Nord-Süd-Dialogs steht aber auch der Vorwurf der Opposition in Niedersachsen im Raum, Wulffs damalige Landesregierung habe Anfang 2010 das Parlament belogen, als er die Frage des SPD-Abgeordneten Heiner Bartling, ob für den privat organisierten Nord-Süd- Dialog Steuermittel eingesetzt wurden, verneinte. Mittlerweile jedoch hat sich herausgestellt, dass das wohl nicht ganz richtig war. So soll die Landesregierung Kochbücher bezahlt haben, die den Gästen der Party überreicht wurden. Mitautorin soll Glaesekers Frau Vera gewesen sein. Außerdem soll die landeseigene Medizinische Hochschule Personal für Party-Dienstleistungen bereitgestellt haben. Die SPD in Niedersachsen plant eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht.

Fazit: Stellt sich heraus, dass Wulffs Landesregierung 2010 dem Parlament nicht die Wahrheit gesagt hat, wäre das ein herber Schlag für die Glaubwürdigkeit des heutigen Bundespräsidenten.

Mailbox-Affäre

Am 12. Dezember 2011 hat Bundespräsident Wulff von einem Auslandsbesuch aus versucht, den „Bild“-Zeitungs-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen. Die Zeitung wollte am Folgetag über Wulffs Hauskredite berichten. Weil er Diekmann nicht erreichte, sprach Wulff ihm auf die Mailbox. Wie später bekannt wurde, soll er Diekmann gedroht haben. Harte Worte wie „Krieg“ oder „der Rubikon ist überschritten“ sollen dabei gefallen sein. Wulff hat das Anfang Januar bedauert, aber den Vorwurf zurückgewiesen, er habe die Berichterstattung verhindern wollen. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat untersucht, ob ein Anfangsverdacht der Nötigung besteht, diese Untersuchung jedoch eingestellt.

Fazit: Eine ausgemachte Dummheit des Medienprofis Wulff.

Urlaube bei Freunden

Wulffs Urlaube mit Unternehmerfreunden haben die Öffentlichkeit bereits Ende Dezember intensiv beschäftigt. Wulffs Anwalt bestätigte, dass sein Mandant zwischen 2003 und 2010 – als er noch Ministerpräsident war – sechs Mal im Urlaub zu Gast bei Unternehmern war. Dass es dabei einen Bezug zu Wulffs öffentlichen Ämtern gegeben haben soll, haben Wulff und sein Anwalt jedoch zurückgewiesen.

Fazit: Rechtlich sind die Urlaube nicht zu beanstanden. Seit dem Bekanntwerden muss Wulff aber mit dem Verdacht leben, er sei ein Politiker, der kaum eine Gelegenheit auslässt, sich persönliche Vorteile zu verschaffen, die er nicht gewährt bekäme, wäre er kein Amtsträger.

Audi-Affäre

Sie ist noch nicht ausgestanden. Dabei geht es um einen Audi Q3, den die Familie Wulff zu bevorzugten Konditionen bekommen und darüber hinaus auch noch zu einem Zeitpunkt gefahren haben soll, als der Geländewagen noch gar nicht für den Straßenverkehr zugelassen war. „Das Ehepaar Wulff fuhr im Sommer 2011 keinen Audi Q3“, hatte Lehr Letzteres zurückgewiesen. Mittlerweile wurde bekannt, dass der Wagen (vor der Zulassung) zwar an Frau Wulff überstellt, von ihr jedoch zurückgeschickt worden sein soll. Auch Vorzugs-Leasing-Konditionen hat Wulffs Anwalt zurückgewiesen. „Tatsächlich hat Bettina Wulff einen Audi Q3 erstmals am 22.12.2011 übernommen und die dafür marktübliche Vergütung gezahlt“, teilte Gernot Lehr mit. Damit im Zusammenhang stehen auch Vorwürfe, Familie Wulff habe 2011 von einem Berliner Autohändler ein Bobbycar für den Sohn geschenkt bekommen. Im Gegenzug sei der Unternehmer zum Sommerfest des Präsidenten eingeladen worden. Das Bobbycar steht nach offizieller Auskunft in der Kinderspielecke des Bundespräsidialamtes.

Fazit: Die Sache mag lächerlich, ja banal erscheinen. Dennoch prüft die Berliner Staatsanwaltschaft, ob es einen Anfangsverdacht der Vorteilsnahme gibt.

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