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Politik: Disziplinarrecht: Unter der Decke

Wirklich kompliziert werden Bundesbeamte, wenn sie sich gegenseitig zur Ordnung rufen. Der Grund ist immer derselbe: Ein "Dienstvergehen".

Wirklich kompliziert werden Bundesbeamte, wenn sie sich gegenseitig zur Ordnung rufen. Der Grund ist immer derselbe: Ein "Dienstvergehen". Aber das Verfahren ist ein Dschungel. Deshalb möchte die Bundesregierung ein einheitliches Bundesdisziplinargesetz. Am Mittwoch hat der Innenausschuss darüber beraten. Die Politiker haben nicht viel einzuwenden. Nur die Beamten sperren sich. Das verwundert, denn schließlich könnte mit dem Gesetz die eine oder andere Missetat "eher unter der Decke bleiben", wie Thomas Stiller vom Deutschen Beamtenbund (DBB) vermutet.

Auch die Beamten der Bundesbehörden - also etwa der Ministerien, des Zolls oder des Bundesgrenzschutzes - sind nicht frei von Fehlern. Bestechlichkeit, sexuelle Belästigungen, "in letzter Zeit auch verstärkt rechtsradikale Äußerungen" kommen deshalb vor das Bundesdisziplinargericht in Frankurt (Main), sagt Claudia Müller-Eising, die dort als Richterin arbeitet. Im letzten Jahr rund 800 Fälle. Ob parallel noch ein Strafverfahren läuft, spielt keine Rolle. Das Disziplinarrecht ahnt die Sünden der Staatsdiener nicht wegen ihrer Schäden für Opfer und Gesellschaft, sondern weil sie den Ruf der Beamtenschaft ramponieren.

Nach den aktuellen Plänen ist dieses Gericht bald Vergangenheit, genauso wie der Bundesdisziplinaranwalt. Gute acht Millionen Mark im Jahr will der Bund dadurch sparen. Das sei aber nicht der einzige Grund, sagt Eva Schmierer vom Innenministerium. Die Frankfurter Instanz sei ein "Sondergericht". Über die Einheitlichkeit des Disziplinarrechts könne ebenso gut allein das Bundesverwaltungsgericht wachen.

Diese Neuordnung des Gerichtswegs ist der Kern der Reform. Künftig sollen nur die Verwaltungsgerichte über Beamten-Verfehlungen urteilen. Parallel wird die Disziplinargewalt der Vorgesetzten erweitert. So können die obersten Dienstbehörden sogar die Bezüge kürzen, und zwar um bis zu einem Fünftel auf längstens drei Jahre. Nachrangige leitende Beamte dürfen dies immerhin noch in verringertem Umfang. Hier setzt die Kritik des DBB-Dienstrechtlers Stiller an: "Der Vorgesetzte ist mit seiner Nase zu nah dran", um den Untergebenen nach wirklich objektiven Maßstäben büßen zu lassen. "Wer ein schwarzes Schaf gehütet hat, den trifft schließlich auch ein Verschulden", sagt er. Nach Ansicht des Innenministeriums ist dies jedoch kein Argument. Bisher sei auch der Disziplinaranwalt nur Ankläger gewesen, ermittelt habe die Behörde selbst. "Die Distanz ist groß genug", sagt Eva Schmierer.

Beim Thema Korruption jedoch wurde der Innenausschuss am Mittwoch grundsätzlich. Ist es nicht das falsche Signal, meinten Skeptiker, auf eine eigenständige Instanz zu deren Bekämpfung zu verzichten? Die EU jedenfalls gehe den entgegengesetzen Weg: Dort werde über ein "Untersuchungs- und Disziplinarbüro" für Beamte nachgedacht - "in voller Unabhängigkeit", wie der Vizepräsident der EU-Kommission, Neil Kinnock, vorgeschlagen hat.

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