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Doppelter Merz im Bundestag: Der Außen-Kanzler sprach energisch, der Innen-Kanzler in Rätseln
Bei dem Zoff um die Rente zeigt sich einmal mehr, wie sehr die Union in der Koalition an einem Mangel an Regierungserfahrung und Koordination leidet.

Stand:
An Klarheit ließ es Friedrich Merz nicht mangeln. Einen „Frieden durch Kapitulation“ in der Ukraine dürfe es nicht geben, sagte der Bundeskanzler in der Generaldebatte zum Haushalt. Deutlich warnte Merz Amerikaner und Russen, ein zwischen „Großmächten“ verhandeltes Abkommen ohne die Zustimmung von Ukrainern und Europäern garantiere keinen echten Frieden. Europa sei „kein Spielball, sondern souveräner Akteur“ für eigene Interessen und Werte.
In der Rente brauche es einen „fairen Ausgleich zwischen den Generationen“, sagte er. Mit Blick auf das – in seiner eigenen Fraktion hochumstrittene Rentenpaket seiner Regierung – klang er wie ein Selbstbeschwörer: „Dieses Ziel werden wir auch gemeinsam erreichen.“ Alles wahr, aber einen konkreten Weg zeichnete der Kanzler nicht auf.
Im Bundestag trat am Mittwoch ein doppelter Merz auf: Einerseits der Außen-Kanzler, eben erst zurückgekehrt von zwei internationalen Gipfeln in Südafrika und Angola, in diesen Tagen fokussiert und absorbiert von den komplex-mühsamen Verhandlungen mit den USA über einen Frieden für die Ukraine. Dieser Außen-Kanzler sprach klar, entschieden, energisch. Er gab durchaus Anlass zum Eindruck, dass die „Bewahrung von Freiheit in Frieden in Europa“ (Merz) bei ihm in guten Händen liegt.
Andererseits war da der Innen-Kanzler, der für ein zentrales Projekt seiner Regierung – das Rentenpaket – wegen Widerstandes in der eigenen Fraktion bisher keine Mehrheit im Parlament vorweisen kann. Dieser Innen-Kanzler sprach in Rätseln, mithin vage, floskelhaft, vertröstend – also genau so, wie der Oppositions-Verve-Merz eigentlich nie werden wollte. Merz gab sogar zu, die Reformerwartungen seien größer, „als wir sie im Augenblick erfüllen“. Da musste man fast Mitleid haben.
Während der Kanzler im Plenum sprach, war vollkommen offen, wie Merz und CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn wenigstens eine signifikante Zahl der 18 „Renten-Rebellen“ aus der Jungen Gruppe für jenes Rentenpaket gewinnen können, dem das Kabinett Merz schon vor vielen Wochen zugestimmt hatte und das nun auf der Kippe steht.
Da verweist man in der Regierung nun auf den Koalitionsausschuss am Donnerstagabend. Das wirkt grob irreführend. Die Rente nämlich ist keine Causa Brosius-Gersdorf. Es muss kein Konflikt zwischen CDU/CSU und SPD gelöst werden, sondern ein Unions-, ein vorwiegend CDU-interner Zoff. Wer ist noch gleich Vorsitzender dieser stolzen Partei? Richtig, ein gewisser Friedrich Merz.
Selbst wenn Union und SPD am Ende mit Kanzler-Mehrheit das Rentenpaket verabschieden sollten, ist der Schaden schon jetzt erheblich, der Ansehensverlust der Koalition enorm. Zehn „Abweichler“ dürfte sich die Koalition leisten, ohne ihre Mehrheit zu verlieren. Mancher in der Union scheint indes noch immer nicht verstanden zu haben: Sollte die CDU/CSU das Rentenpaket scheitern lassen, gegen den Willen von Merz, Spahn, der CSU, wird sie die SPD kaum mehr zu einer Zustimmung zu anderen Herzensanliegen gewinnen. Dann wäre die Koalition vollends gelähmt, faktisch tot.
Es müsste eigentlich allen in der Union klar sein, dass man einen Kollaps der Koalition ausgerechnet in Tagen, in denen zwischen Trump und Putin über Europas Schicksal entschieden wird und Merz immerhin noch etwas im Weißen Haus durchzudringen scheint, kaum riskieren kann.
Mit dem Rigorismus zu ihrem allzu berechtigten Anliegen laufen die jungen Wilden in der Union Gefahr, am Ende wie Verlierer dazustehen. Die Kritik der Jungen Gruppe an dem Rentenpaket wirft ein Schlaglicht auf die Schwächen im System Merz. Das Kanzleramt hätte die Konflikte bei der Rente früh erkennen und entschärfen müssen.
So aber wird immer deutlicher, wie sehr die Union in der Koalition an einem Mangel an Regierungserfahrung und Koordination leidet. Zuweilen versteht Merz es immerhin noch, das mit energischer Rhetorik zu kaschieren. Die Klippen, die diese Regierung zu umschiffen hat, indes erfordern weit mehr als gute Rhetorik.
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