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Unionsfraktionschef Jens Spahn gerät in der Masken-Affäre immer mehr unter Druck.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

„Drama in Milliarden-Höhe“ durch ein „Team Ich“: Sonderermittlerin wirft Spahn bei Maskenbeschaffung Versagen vor

Ein neuer Bericht macht deutlich, wie Sonderermittlerin Margaretha Sudhof die Maskenbeschaffung von Ex-Gesundheitsminister Spahn bewertet. Er selbst wehrt sich.

Stand:

Die vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzte Sonderermittlerin Margaretha Sudhof wirft Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn bei der Beschaffung von Coronamasken ein strukturelles Versagen vor. Trotz der besonderen Herausforderung der Pandemie könne man das, was in Spahns Amtszeit schiefgelaufen sei, nicht einfach als „unglückliche Verkettung“ abtun.

Schließlich seien die Risiken und hohen Schadens-Eintrittswahrscheinlichkeiten durchaus bekannt gewesen. So urteilt Sudhof im zusammenfassenden Kapitel ihres Untersuchungsberichts, berichten NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“.

Das Gesundheitsministerium weigert sich bisher, Sudhofs Bericht zu veröffentlichen. Als Grund nennt Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) Datenschutzgründe sowie Prozessrisiken. Dessen ungeachtet berichten verschiedene Medien seit Tagen über einzelne Kapitel.

Bericht nennt Spahn „Team Ich“

Die Passagen, die nun aus dem Abschlusskapitel zitiert werden, stellen Spahn ein vernichtendes Zeugnis aus. Demnach hätten bei der Maskenbeschaffung unter Spahn „fehlendes ökonomisches Verständnis“ und „politischer Ehrgeiz“ am Ende dazu geführt, dass nicht als „Team Staat“, sondern als „Team Ich“ gehandelt worden sei.

Das dürfte zu einem Schaden in Milliardenhöhe für den Steuerzahler geführt haben. Denn Spahn bestellte Masken im Wert von 5,9 Milliarden Euro zu teils sehr teuren Preisen, von denen schließlich ein Großteil wegen Mängeln vernichtet werden musste. Zudem klagen noch immer Maskenlieferanten wegen ausgebliebener Zahlungen gegen das Gesundheitsministerium. Die mögliche Schadensumme für den Bund wird auf rund 2,3 Milliarden Euro geschätzt. In den bisherigen Verfahren gaben die Gerichte meist den Klägern recht.

Für mich persönlich wäre es aktuell leichter, der Bericht wäre öffentlich.

Unionsfraktionschef Jens Spahn

Auslöser für „das Drama in Milliarden-Höhe“ war laut Sudhof, dass Spahn „gegen den Rat seiner Fachabteilungen“ die Beschaffung allein habe meistern wollen, berichtet der Rechercheverbund. Die erfahrenen Beschaffungsämter von Innen- und Verteidigungsministerium kamen nicht zum Zug. Dabei hatte der Corona-Krisenstab am 5. März 2020 beschlossen, dass das Beschaffungsamt des Innenministeriums sich um die Versorgung mit Masken kümmern soll. Laut Sudhof warnten die erfahrenen Beschaffungsämter Spahn vor inzwischen eingetretenen Risiken. Doch diese „Red Flags“ seien ignoriert worden.

Spahn spricht von Beschaffung in Wild-West-Zeiten

In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ verteidigte Spahn sein Vorgehen. Das Problem sei damals gewesen, dass die Beschaffungsämter des Bundes in den Wild-West-Zeiten der Pandemie einfach keine Masken rangeschafft hätten. In Absprache mit dem restlichen Kabinett habe er deshalb jenseits des herkömmlichen Wegs Coronamasken besorgt.

Zugleich sprach sich der heutige Unionsfraktionschef erneut dafür aus, den Sudhof-Bericht zeitnah zu veröffentlichen. „Für mich persönlich wäre es aktuell leichter, der Bericht wäre öffentlich“, sagte Spahn.

Er gibt an, den Bericht noch nicht zu kennen und von Sudhof nicht befragt worden zu sein. Ihr Urteil bezeichnete er als „persönliche Bewertungen“ einer früheren Ampel-Staatssekretärin. Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, sehr zügig eine Enquete-Kommission des Bundestags einzusetzen, „idealerweise“ noch vor der Sommerpause. Es sei eine systematische Aufarbeitung der Pandemiezeit nötig.

Nach weiteren Medienberichten soll Spahn zudem eine Firma aus seiner westfälischen Heimat mit der Logistik der Maskenbeschaffung bevorzugt haben. Darauf angesprochen sagte er der „Rheinischen Post“: „Dieser Logistiker hat keinen Standort in meinem Wahlkreis. Und er ist einer der größten des Landes. Es war damals Beschlusslage des Krisenstabs der Bundesregierung, wegen der Dringlichkeit regelmäßig ohne Ausschreibungen zu vergeben.“

Es sei für ihn klar gewesen, dass er selbst zum Hörer habe greifen müssen, um bei der Beschaffung zu helfen. „Ich muss das Gewicht meines Amtes persönlich in die Waagschale legen, damit wir im weltweiten Rennen an Masken kommen. Es sind kurz danach auch DHL und Schenker einbezogen worden, weil das ja aktuell die Debatte ist“, sagte Spahn. (mit dpa)

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