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Politik: Ein bizarrer Vorschlag zur Finanzierung des Bauvorhabens (Kommentar)

Einundvierzig Millionen Mark suchen einen Empfänger. Es handelt sich um das Geld, das die CDU für ihre finanziellen Sünden entrichten soll.

Einundvierzig Millionen Mark suchen einen Empfänger. Es handelt sich um das Geld, das die CDU für ihre finanziellen Sünden entrichten soll. Rückzahlung plus Strafe. Johannes Rau findet, man könne einen Teil dieser Summe für den Bau des Holocaust-Mahnmals verwenden. So wurde es in verschiedenen Zeitungen gemeldet.

Die Idee, das muss man sagen, stammt nicht von ihm. Statt dessen stammt sie von der Zeitung "Die Welt" und wird von ihrem Chefredakteur in einem Interview mit dem Bundespräsidenten geäußert. Rau bleibt abwartend bis ausweichend. Auf die komplizierte Frage, ob er eine "Diskussion" über den Vorschlag befürworte, das Mahnmal aus CDU-Geldern zu finanzieren, antwortet der Präsident mit dem Satz: "Das kann man so sagen." Man kann sagen, dass Rau eine Diskussion befürwortet - mehr nicht. Sowas ist ja fast nie falsch. Diesmal aber schon.

Raus Neigung, sich nicht festzulegen, hat ihm einen Streich gespielt. Denn es ist kein guter Vorschlag, nicht einmal ein diskutabler, sondern ein ganz und gar peinlicher. Der schäbige Trick der hessischen CDU, Schwarzgeld als eine Wohltat jüdischer Spender auszugeben, wird von der "Welt" aufgegriffen und weitergeführt. Wieder einmal hat das Unbewusste gesprochen. Beim Thema Geld fallen deutschen Journalisten und Politikern offenbar immer als erstes die Juden ein, an guten wie an bösen Tagen. Oder leuchtet beim Suchbegriff "Strafe" im Axel-Springer-Haus automatisch das Stichwort "Holocaust-Mahnmal" auf?

Juden und Geld - was sonst?

Was aber hat die CDU-Parteispenden-Affäre mit dem Holocaust zu tun? Nicht das Geringste. Der Vorschlag macht aus dem Mahnmal eine beliebige, nein: eine lästige Baumaßnahme des Bundes. Schwierig zu finanzieren. Gut, dass wir jetzt zufällig die CDU-Millionen kriegen! Man könnte einen solchen Vorschlag, wenn man es positiv formulieren möchte, pragmatisch nennen. Meistens ist Pragmatismus eine gute Sache. Aber nicht immer. Manchmal darf es, manchmal muss es sogar Ethos geben, oder zumindest Stil. Aber wer soll solche Situationen erkennen, wenn nicht einmal der Bundespräsident sie erkennt?

Das Mahnmal ist gedacht als ein Projekt des ganzen deutschen Volkes. Es zu beschließen, war ein Kraftakt. Vielleicht dürfen wir sogar stolz darauf sein. Kann man ernstlich die Verantwortung für den Holocaust an die CDU abschieben? Sollen wir das Holocaust-Mahnmal zum CDU-Mahnmal umwidmen, soll auf der Gedenktafel stehen: "Denkmal für die verschwundenen Spenden-Millionen und das Ehrenwort von Helmut Kohl"?

Kohl ist der Mann, der das Mahnmal gegen heftigen Widerstand auch aus seiner eigenen Partei durchgesetzt hat. Das Mahnmal ist eine seiner historischen Leistungen, von denen in diesen Tagen häufig die Rede ist. In zehn Jahren, wenn wir den Politiker Helmut Kohl objektiver beurteilen können als heute, wird das Mahnmal auf der Habenseite stehen. Der Vorschlag, den Rau bedenkenswert findet, schafft nun eine Verbindungslinie zwischen Kohls schwärzester Tat und seiner vielleicht moralischsten Handlung als Kanzler. Beides wird gegeneinander aufgerechnet. Es wird aber auch zu weitschweifenden Assoziationen eingeladen: Hat Kohl, der seine Partei offenbar mit Hilfe dubioser Gelder manipulierte, womöglich auch deren Zustimmung zum Mahnmal irgendwie erkauft? Je länger man darüber nachdenkt, desto tiefer gerät man in sumpfiges Gelände.

Das Holocaust-Mahnmal hat mit der Ermordung der europäischen Juden zu tun, und nicht mit der deutschen Innenpolitik des Jahres 2000. Die CDU hat Gesetze gebrochen und staatliches Geld missbraucht. Die anderen Parteien wollen davon nicht profitieren, gut. Was spricht dagegen, mit den CDU-Millionen so zu verfahren wie mit jedem Bußgeld eines ganz normalen Steuersünders? Warum nicht einfach in den großen Topf damit? Gleiches Recht für alle: So lautet der Satz, den Helmut Kohl für seine Person nicht akzeptieren möchte.

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