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Der frühere Außenminister George Shultz (rechts) mit den ehemaligen Präsidenten George Bush (links) und Ronald Reagan im Jahr 2011.

© imago/ZUMA Press

Zum Tod von Reagans Außenminister Shultz: Ein Diplomat aus Überzeugung

Der frühere US-Außenminister George Shultz war einer der Treiber der Entspannungspolitik Ende der 80er Jahre. Nun ist er im Alter von 100 Jahren gestorben.

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Wenn einer verstanden und gezeigt hat, was Diplomatie bewirken kann, dann George P. Shultz. „Geschickte Diplomatie“, so hat es der frühere US-Außenminister 1998 beschrieben, „bedarf der Aufmerksamkeit, auch wenn es gerade keine akuten Probleme oder hochaktuelle Chancen gibt.“ Er verglich Diplomatie mit der Arbeit eines Gärtners: „So baut man Vertrauen und gegenseitiges Verständnis auf. Wenn dann eine Krise ausbricht, hat man eine eindeutige und solide Grundlage, auf der sich aufbauen lässt.“

Am Samstag starb Shultz im Alter von 100 Jahren. Das teilte die Hoover Institution, ein Thinktank der kalifornischen Universität Stanford, der er bis zu seinem Tod angehörte, am Sonntag mit.

Shultz arbeitete unter zwei republikanischen Präsidenten - und als einer von nur zwei US-Politikern auf gleich vier verschiedenen Kabinettsposten, wie die Hoover Institution betonte. Er war Arbeits- und Finanzminister sowie Direktor des „Office of Management and Budget“ unter Richard Nixon, bevor er dann 1974 zurücktrat – um zu vermeiden, in der Watergate-Affäre mit in den Abgrund gezogen zu werden, die Nixon das Amt kostete.

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Unter Reagan wurde er dann 1982 Chefdiplomat der Vereinigten Staaten, was er bis 1989 blieb. In dieser Zeit war entscheidend daran beteiligt, die Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion Ende der 80er Jahre abzumildern, und trug damit zum Ende des Kalten Krieges bei.

Mit Schewardnadse trieb er die Abrüstungsgespräche voran

Zusammen mit seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse trieb er die Abrüstungsgespräche voran. Auch brachte er Reagan gegen Widerstand in den eigenen Reihen dazu, mit dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow zusammenzuarbeiten.

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Auch nach seinem Ausscheiden aus der Regierung beriet Shultz die Republikanische Partei weiter. 2000 half er George W. Bush im Wahlkampf. Zudem lehrte er in Standford internationale Wirtschaftswissenschaften und war ein begehrter Gesprächspartner, der sich weiter für die großen Gesellschaftsfragen wie die Herausforderung durch den Klimawandel interessierte.

Bei der USA-Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Juni 2018 diskutierte der damals 97-Jährige in Standford mit über das Thema „Wie wir unsere digitale Zukunft gestalten“ - eine Debatte, an der viele deutlich Jüngere wenig Interesse zeigen.

Kritik an Trumps Einwanderungspolitik

Er hielt sich auch nicht mit Kritik an der eigenen Partei zurück, wenn ihm etwas missfiel. Dass die Regierung von Donald Trump an der Grenze zu Mexiko Kinder von ihren Eltern trennte, was zu dieser Zeit auch international scharf kritisierte wurde, nannte er unwürdig.

Sein großes Ansehen zeigte sich am Sonntag in seinen Nachrufen und den Würdigungen von Politikern beider Parteien. Die ehemalige republikanische Außenministerin Condoleezza Rice nannte Shultz einen „großen amerikanischen Staatsmann“ und einen „wahren Patrioten“, der „die Welt zu einem besseren Ort“ gemacht habe.

Auch die oberste Demokratin im Kongress, Nancy Pelosi, erklärte, die Welt habe „einen hochangesehenen Staatsmann und brillanten Staatsdiener“ verloren. „George Schultz setzte sich Zeit seines Lebens für eine friedlichere und sichere Zukunft ein.“

Obwohl sie bei mehreren Themen wie den Kriegen in Lateinamerika in den 80er Jahren und dem US-Militäreinsatz im Iraq 2003 unterschiedlicher Meinung gewesen seien, haben sie ihn immer für seine Integrität und seinen Patriotismus respektiert, fügte Pelosi hinzu.

2012 erhielt er den Kissinger-Preis in Berlin

2012 wurde Shultz in Berlin mit dem Henry-A.-Kissinger-Preis ausgezeichnet, für seine diplomatischen Verdienste und seinen Einsatz für die atomare Abrüstung. Henry Kissinger, selbst vier Jahre lang Außenminister unter Nixon, zitierte Shultz damals mit den Worten: Die Weisheit der Demokratie sei die Weisheit des Kompromisses.

Wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag sprach Shultz Ende Oktober noch einmal in einem Interview mit der „New York Times“ über den Wert von Diplomatie und die Notwendigkeit, dass Amerika seine Allianzen wieder in Ordnung bringe - was schon deshalb auf großes Interesse stieß, weil die Regierung Trump Diplomatie und Multilateralismus als Zeichen von Schwäche verstand. „Übereinkünfte sind selten perfekt“, sagte Shultz da. „Du bekommst nicht alles, was du willst. Du machst Kompromisse. Aber diese sind so viel besser als nichts.“

Shultz durfte noch erleben, wie im November der Demokrat Joe Biden als Nachfolger von Trump ins Weiße Haus gewählt wurde. Es müsste ihn beruhigt haben, dass der neue US-Präsident sich selbst als Brückenbauer bezeichnet und versprochen hat, Diplomatie wieder ins Zentrum der amerikanischen Außenpolitik zu rücken.

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