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Politik: Ein Kandidat fremdelt mit seiner Partei

Matthias Waldraff soll für die CDU in Hannover Oberbürgermeister werden. Er gibt sich unabhängig.

Hannover - Erst kamen die dicken Fragezeichen. „Genosse der Partei?“ oder „Anwalt der Bürger?“, lautete eine plakative Alternative. „Berufspolitiker“ oder „Menschenkenner“ die andere. Inzwischen haben die Fragezeichen auf den blauen Postern ein Gesicht bekommen: Matthias Waldraff, „Menschenkenner, Anwalt aller Bürger“, versprechen die Plakate über den Oberbürgermeister-Kandidaten von Hannover. Die Buchstaben einer Partei suchen die Bürger darauf vergeblich.

Mit seiner CDU, in die der 61-Jährige erst Anfang des Jahres eingetreten ist, scheint der bekannte Strafverteidiger, der unter anderem den in der Türkei verhafteten Jugendlichen Marco aus Uelzen vertrat, immer noch zu fremdeln. „Ich bin unabhängig von einem Parteiprogramm, darauf lege ich Wert“, betont Waldraff. Wahlkampf mit möglichst wenig CDU. Seit einer gefühlten Ewigkeit nämlich regiert hier in der niedersächsischen Landeshauptstadt die SPD – 34 lange Jahre OB-Legende Herbert Schmalstieg, danach sechs Jahre Stephan Weil, dessen Wechsel auf den Posten des Ministerpräsidenten die Neuwahl am 22. September, parallel zur Bundestagswahl, notwendig machte. Die CDU hatte bisher nie den Hauch einer Chance, selbst eine Stichwahl lag immer in weiter Ferne. CDU-Kreischef und Landtagsfraktionsvize Dirk Toepffer, der 2006 selbst eine derbe Klatsche gegen Weil einfuhr, hatte denn auch große Mühen, überhaupt einen Kandidaten zu finden. Dass das Rennen sich diesmal offener gestaltet, liegt weniger am kantigen Waldraff als vielmehr am eher braven SPD-Bewerber und dem profilierten Grünen-Konkurrenten. Für die Genossen tritt der Sozialpädagoge Stefan Schostok (49) an, ein treuer Parteisoldat, der vor sechs Jahren Weils OB-Wahlkampf erfolgreich managte, 2008 in den Landtag zog und dank seiner guten Vernetzung zum Fraktionschef aufstieg, dort aber nie durch flammende Reden auffiel. Mit der Ankündigung eines Sanierungsprogramms für die maroden Straßen der Stadt versucht er, der CDU den Wind aus den Segeln zu nehmen und sich gleichzeitig von den Grünen, mit denen die SPD im Rat seit Jahrzehnten eine solide Koalition bildet, abzusetzen.

Die Grünen möchten den SPD-Mann zumindest im ersten Wahlgang unter 50 Prozent halten und dabei gleichzeitig die CDU hinter sich lassen. „Ich kann Verwaltung“, sagt der langjährige Ratsherr und grüne Fraktionschef Lothar Schlieckau (63) selbstbewusst – und zielt damit unverhohlen auf Stimmen auch tief aus dem bürgerlichen Lager. Darin wiederum sieht Linken-Bewerberin Maren Kaminski ihre Chance auf einen Achtungserfolg. Die Konkurrenz sieht die Kandidatur der 34-Jährigen, die mit dem Slogan „Rot statt Grau“ für sich wirbt, dagegen nur als Mittel, um den Linken ein paar zusätzliche Stimmen bei der Bundestagswahl zu bescheren. Peter Mlodoch

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