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Aus dem jugendlichen Rebell ist ein angesehener und vertrauenswürdiger Politiker geworden: Jens Stoltenberg.

© Reuters

Der Norweger Stoltenberg ist neuer Nato-Generalsekretär: Ein Nachbar Russlands

Der neue Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist offiziell im Amt. Der 55 Jahre alte frühere norwegische Ministerpräsident trat am Mittwochmorgen seinen Dienst im Brüsseler Hauptquartier der Militärallianz an. Er folgt als Generalsekretär auf den Dänen Anders Fogh Rasmussen, der seit 2009 ziviler Chef des Bündnisses war.

Als Teenager hat er aus Protest gegen den Vietnamkrieg die Fenster der US-Botschaft in Oslo zertrümmert, als junger Sozialdemokrat mit wehender schwarzer Mähne wetterte er wütend gegen die Nato. Jetzt, 30 Jahre später, blickt Jens Stoltenberg auf drei Amtszeiten als norwegischer Regierungschef zurück - und dem Amt des Nato-Generalsekretärs entgegen. In unruhigen Zeiten übernimmt der 55-Jährige am Mittwoch offiziell das Amt vom Dänen Anders Fogh Rasmussen.

Inzwischen sind die Haare gekürzt und ergraut: Aus dem jugendlichen Rebell ist ein angesehener und vertrauenswürdiger Politiker geworden, der sich auf dem Weg an die Nato-Spitze Rückendeckung aus Washington, London und Berlin sicherte. Dass er als Regierungschef gute Drähte nach Moskau knüpfte, machte Stoltenberg angesichts der Ukraine-Krise zum besonders interessanten Kandidaten, als er im März berufen wurde.

Stoltenberg knüpfte als norwegischer Premier gute Kontakte nach Moskau

Bekannt auch außerhalb Norwegens wurde Stoltenberg spätestens nach dem Massaker von Utöya im September 2011: Damals gelang es ihm, sein schockiertes und in der Seele verwundetes Land zu trösten und zu beruhigen. Allerdings wurde ihm und seiner Arbeitspartei bei der Parlamentswahl im vergangenen September auch zum Verhängnis, dass die Sicherheitsbehörden bei dem Attentat versagt hatten. Nach acht Jahren an der Macht wurde Stoltenberg abgewählt. Und das, obwohl es ihm gelungen war, das ölreiche Land unbeschadet durch die globale Wirtschaftskrise zu steuern.

Nach dem Massaker von Utöya beruhigte er sein Land

Im Wahlkampf hatte der zweifache Vater zu einem ungewöhnlichen Mittel gegriffen: Er setzte sich hinter das Steuer eines Taxis, versteckte sich hinter einer Sonnenbrille und kutschierte Kunden inkognito durch Oslo. Als später publik wurde, dass für das Video mit dem Titel "Taxi Stoltenberg" Passagiere angeheuert und bezahlt worden waren, wurde die PR-Aktion zum Desaster.

Die Politik hat Stoltenberg quasi mit der Muttermilch aufgesogen: Mutter Karin war Staatssekretärin. Sein Vater Thorvald, ebenfalls Mitglied der Arbeitspartei, brachte es bis zum Außenminister. Sein wohlhabendes Elternhaus brachte ihm das Image eines "sozialdemokratischen Aristokraten" ein. In den 1980er Jahren wurde Stoltenberg zum Zögling der damaligen sozialdemokratischen Regierungschefin Gro Harlem Brundtlands. 1991 zog er ins Parlament ein, 1993 bekam er seinen ersten Ministerposten, 2000 brachte er die konservativ geführte Regierung zu Fall und wurde mit 41 Jahren Ministerpräsident. Allerdings hielt er sich nur 18 Monate im Amt.

Auch seine Eltern waren in der Politik aktiv

Die Statur für den Posten eines Nato-Generalsekretärs gewann Stoltenberg in seinen weiteren Amtszeiten von 2005 bis 2013. Unter seiner Führung unterzeichneten Norwegen und Russland wichtige Abkommen über die gemeinsame Grenze in der Barentssee und über Visa-Ausnahmen für die Grenzbevölkerung. "Seine Erfahrungen als Nachbar Russlands sind ein Trumpf", kommentierte die Zeitung "Aftenposten", als er für die Rasmussen-Nachfolge gehandelt wurde. Norwegens Beteiligung am Militäreinsatz in Afghanistan und an den Luftangriffen gegen Libyen sicherte Stoltenberg den Respekt der USA. Zugleich gilt der einstige Heißsporn inzwischen als kompromissbereit bis konfliktscheu.

Den 55-Jährigen erwarten in Brüssel schwierige Aufgaben

Damit steht ihm in den kommenden Monaten eine harte Bewährungsprobe bevor: Kurz vor Stoltenbergs Arbeitsbeginn beschloss die Nato auf ihrem Gipfel in Wales, ihre Präsenz in Osteuropa dauerhaft und deutlich zu verstärken. Das dient der Versicherung der dortigen Mitgliedstaaten, wird aber den Graben zwischen der Militärallianz und Moskau vertiefen. Aber es gibt auch Diskussionen innerhalb der Allianz um die angemessene Höhe von Rüstungsausgaben und den Umgang mit Dschihadistengruppen wie dem "Islamischen Staat" (IS).

Rasmussen will Beratungsfirma gründen

Der bisherige Nato-Generalsekretär Rasmussen will sich nach seinem Ausscheiden aus dem Bündnis mit einer Beratungsfirma selbstständig machen. „Die neue Firma wird Regierungen, globale Organisationen und Großkonzerne strategisch beraten“, erklärte der 61-Jährige auf seiner Facebookseite. Zudem plane er ein Buch über die größten strategischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. dpa/AFP

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