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Koalitionsgipfel: Ein Treffen fürs Grobe
Entschieden werden musste beim Koalitionsgipfel wenig. Die Fronten zu Fachkräfte-Anwerbung bleiben verhärtet.
- Robert Birnbaum
- Cordula Eubel
Berlin - Irgendwann, als es langsam auf Mitternacht zuging, hat Volker Kauder ein bisschen gedrängelt. Er habe morgen noch was vor, gab der Unionsfraktionschef in der Koalitionsrunde zu Protokoll. Und weil auch die Kanzlerin schon früh die Parole ausgegeben hatte, dass dies kein Treffen der Entscheidungen werden sollte, sondern eins der groben Linien und der weiteren Verfahren, war der vorletzte Koalitionsgipfel des Jahres nach gut vier Stunden beendet. Der „Herbst der Entscheidungen“, könnte man daraus schließen, weicht einem eher grauen Winter ohne Beinamen.
Tatsächlich hat der Kreis der Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und FDP eine ganze Reihe von Fragen vorentschieden. Die auf lange Sicht womöglich folgenreichste Vorfestlegung erregte am Freitagmorgen kurz Aufsehen, als eine Nachrichtenagentur meldete, bis 2013 solle es eine Steuerreform mit Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen geben. Das war so weit ganz richtig; nur ist die Jahreszahl in der Runde nicht ausdrücklich gefallen.
Angela Merkel, so schildern es Teilnehmer, habe das koalitionsintern heikle Steuerthema selbst aufgriffen. Die CDU-Chefin habe darauf hingewiesen, dass durch eine Reform der Mehrwertsteuer und eine Rücknahme des umstrittenen Mehrwertsteuerrabatts für Hoteliers Mittel frei werden könnten für eine steuerliche Entlastung der Bürger. Wenn dabei unter dem Strich ein bis zwei Milliarden Euro herauskämen, könne man die für die Bekämpfung der kalten Progression nutzen.
Niemand widersprach, obwohl gerade beim Thema „Hotelrabatt“ die CSU sich bisher sehr hartleibig gezeigt hat. Doch das Thema wird ja so schnell auch noch nicht akut. Darüber, wie sich der wild wuchernde Dschungel der Mehrwertsteuerausnahmen auslichten lässt, soll erst einmal eine Arbeitsgruppe aus Finanzminister, Wirtschaftsminister und den drei Generalsekretären beraten. Zum Tabu erklärt hat die Runde die niedrigeren Mehrwertsteuersätze für Lebensmittel, Kulturleistungen und Zeitungen. Vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg sei aber ganz sicher kein Ergebnis zu erwarten, heißt es – schließlich zähle die baden-württembergische CDU wie die CSU zu den Freunden des Gastgewerbes.
Zügiger soll eine zweite Arbeitsgruppe fertig werden. Bis zur nächsten Koalitionsrunde am 9. Dezember soll eine Liste mit Steuervereinfachungen entscheidungsreif sein. Der Finanzrahmen steht jetzt fest: Mehr als die 500 Millionen Euro Entlastung, die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von Anfang an angeboten hat, sollen es nicht werden. Ausdrücklich beauftragt wurde Schäuble aber, auf Vereinfachungen für die Bürger zu achten. Eine erste Maßnahmenliste aus dem Finanzministerium hatte in den Fraktionen für Unmut gesorgt, weil sie bloß der Verwaltung das Leben erleichtert hätte. Im Gespräch ist jetzt, den Zettelkrieg in der Steuererklärung durch stärkere Pauschalierung zu vermindern.
Auf eine „kleine Lösung“ läuft auch die Reform der Kommunalfinanzen hinaus. Zwar bestand FDP-Chef Guido Westerwelle öffentlich darauf, dass über die Abschaffung der Gewerbesteuer das letzte Wort nicht gesprochen sei. Das vorletzte aber schon: Es wird bei dieser Steuer bleiben. Merkel hat den Kommunen versprochen, dass es keine Reform gegen deren Willen geben wird, was dem Vernehmen nach intern auch die FDP akzeptiert hat. Die Kommunalverbände aber sind uneins. Vor allem einige große Städte können von der Gewerbesteuer sehr gut leben; Schäubles Überlegung, den Gemeinden stattdessen ein eigenes Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer zu geben, stößt aber auch bei kleineren Gemeinden auf Skepsis, die nicht auf eine einkommensstarke Einwohnerschaft zurückgreifen könnten.
Schäuble soll jetzt prüfen, ob nicht die Einbeziehung von Pachten, Zinsen und Mieten in die Gewerbesteuer rückgängig gemacht werden kann. Die Kommunen könnten dadurch entlastet werden, dass der Bund sich stärker bei der Grundsicherung oder den Kosten der Unterkunft beteiligt. Bis Anfang des Jahres soll Schäuble ein Konzept vorlegen, rechtzeitig vor den Landtagswahlen im Frühling.
Völlig festgefahren bleibt die Koalition bei der erleichterten Zuwanderung von Fachkräften. Mehrere CDU- und FDP-Minister hatten sich im Grundsatz auf ein gemeinsames Eckpunktepapier verständigt. „Doch die CSU ist nicht mit im Boot“, heißt es. Nach außen verbreiten die Christsozialen die Angst vor fremden Horden, die nach Deutschland drängen. Intern ist die Argumentation eine andere: Die Wirtschaft, die auf offene Türen dränge, sei doch in Wahrheit bloß auf billige Arbeitskräfte aus.