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Lars P. Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, neuerdings Berater von Christian Lindner.

© Patrick Seeger/dpa

Christian Lindner ernennt ökonomischen Chefberater: Eine Ansage an den Wirtschaftsminister

Der Bundesfinanzminister holt den bekannten wirtschaftsliberalen Ökonomen Lars Feld an seine Seite. Eine bemerkenswerte Personalie.

Der Titel klingt etwas pompöser als der neue Posten in der Wirklichkeit wohl sein wird. Lars P. Feld, der Freiburger Ökonom, wird „Persönlicher Beauftragter des Bundesministers der Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung“. Das kündigte Christian Lindner am Montag an. Die Personalie ist bemerkenswert.

Denn sie zeigt, wie sehr der FDP-Chef danach strebt, in der Ampel-Koalition bei aller Notwendigkeit zum Kompromiss mit SPD und Grünen die Freien Demokraten als sehr eigenständige Partner zu profilieren. Lindner treibe stets um, wie seine Partei rechts der Mitte wahrgenommen werde, heißt es in der Koalition. Das wird immer wieder zu Reibereien führen, wie zuletzt im Konflikt um die EEG-Umlage. Und mit Felds Ernennung macht Lindner klar, dass seine Maßstäbe in der Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht bei denen von SPD und Grünen liegen.

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Denn bei denen hat Feld eher den Ruf, es mit den marktwirtschaftlichen Prinzipien übermäßig ernst zu meinen. Er gilt als ausgesprochen marktwirtschaftlich orientiert, mit einer eher traditionalistischen Haltung in der Finanzpolitik. Kronberger Kreis, Stiftung Marktwirtschaft, Leiter des Walter-Eucken-Instituts – das sind Mitgliedschaften und Posten ganz in der Nachfolge der Wirtschafts- und Finanzpolitik Ludwig Erhards. Stabil und maßvoll soll es zugehen, daran hat Lindner am Montag erinnert.

Ex-Chef der Wirtschaftsweisen

Bis vor einem Jahr war Feld Vorsitzender der Wirtschaftsweisen, seine Mitgliedschaft endete aber im Februar 2021 – nicht ganz unumstritten, es war die SPD, die damals in der Koalition eine andere, ihr genehmere Besetzung in dem Beratergremium der Regierung wollte, die bisher allerdings nicht erfolgt ist. Die Wirtschaftsweisen haben den offiziellen Titel „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ – dass der nun in Felds Titel ansatzweise auftaucht, ist sicher kein Zufall.

Lindner legt mit Felds Benennung sozusagen nachträglich Protest ein und setzt ein Signal vor allem gegen das Bundeswirtschaftsministerium unter Vizekanzler Robert Habeck. Erhards Anhänger (besonders stark in der CDU) sehen das „BMWi“ bis heute als Verwahranstalt für den Geist ihres Idols. Dem Finanzministerium komme „eine Schlüsselrolle zu, den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft Geltung zu verschaffen“, sagt Lindner nun. Erhards Geist bekommt also Exil im „BMF“, und Felds Ernennung ist dessen Ausdruck.

Nicht in der Funktion des Chefvolkswirts

Auch der Geist von Olaf Scholz wird damit ausgetrieben. Der hatte vor drei Jahren demonstrativ den linken Ökonomen Jakob von Weizsäcker zum Chefvolkswirt im Ministerium gemacht, auch das eine programmatische Ansage. Feld folgt Weizsäcker in der Funktion aber nicht nach. Er bleibt weiterhin Professor in Freiburg und ist für das Ministerium ehrenamtlich tätig – was ihm Freiheiten lässt und Lindner somit auch.

Die beiden schätzen sich schon länger. Und beide haben auch eine liberale Art, mit Zumutungen wie Koalitionsverhandlungen umzugehen. Als nach der Bundestagswahl klar war, dass eine Ampel nicht ohne ein gewisses Abrücken, zumindest zeitweilig, von freidemokratischen Glaubenssätzen zu haben sein wird, half Feld dem FDP-Chef. Es ging darum, mehr Geld für Investitionen zu mobilisieren, ohne die Schuldenregel im Grundgesetz zu sehr zu dehnen. Gemeinsam mit Marcel Fratzscher, dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, alles andere als ein Ordoliberaler, verfasste Feld im Oktober einen Zeitungsbeitrag, in dem er für ein unkonventionelles Vorgehen plädierte.

Klare Linien aber pragmatisch

Das Ergebnis war der Nachtragsetat 2021, mit dem 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen in einen Fonds verschoben und somit längerfristig aktivierbar gemacht wurden. Feld mag als Verfechter einer klaren Linie gelten, aber politisch-pragmatisch ist er auch.

[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus: Wer kocht und kellnert in der Ampel?]

Im Übrigen ist der Eintritt des 46-jährigen Ökonomen in die neue Funktion keineswegs deplatziert im Rahmen des ansonsten sehr von Juristen geprägten Finanzressorts. Dem Wissenschaftlichen Beirat des Ministeriums gehört Feld schon lange an. Zudem sind seine Ansichten zumindest zur Schuldenbremse durchaus kompatibel mit denen des mächtigsten Beamten in der Berliner Wilhelmstraße, dem Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer. Der

Sozialdemokrat hält wenig von Experimenten und allzu progressiven Neuerungen, ist ein Etatmacher alter Schule, der Rücklagen als Rückversicherung betrachtet, und zu hohe Schulden als Problem für künftige Haushalte. Mit Feld hat er nun einen Minister-Berater, der da einiges wohl ganz ähnlich sieht.

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