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Viele Menschen gehen dicht an dicht, ohne Abstand zueinander, am Nachmittag über die Einkaufsmeile Zeil.

© dpa/Frank Rumpenhorst

„Eine beschämende Bilanz“ : Lohnunterschiede zwischen West und Ost werden größer

35 Jahre nach der Wiedervereinigung bleibt die Lücke bei den Einkommen nicht nur bestehen. Einem Bericht zufolge wächst sie wieder. BSW-Chefin Wagenknecht findet dafür klare Worte.

Stand:

Mehr als drei Jahrzehnte gibt es nach wie vor große Unterschiede im Leben von Menschen in Ost- und Westdeutschland. Und dies gilt auch für die Einkommen. Einem Medienbericht zufolge wächst die Lücke hier sogar wieder.

Der Durchschnitts-Bruttolohn für Vollzeitbeschäftigte liegt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zufolge im Osten mehr als 13.000 Euro oder 21 Prozent unter dem im Westen. Das geht demnach aus der Jahresbilanz für 2024 des Statistischen Bundesamts hervor, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) abgefragt hat.

Im Vergleich zum Vorjahr gibt es dem Bericht zufolge zwar eine flächendeckende Steigerung der Durchschnittslöhne – in absoluten Zahlen aber öffne sich die Schere zwischen Ost und West weiter.

2023 hatten westdeutsche Vollzeitbeschäftigte im Schnitt 60.798 Euro brutto verdient, ostdeutsche 48.023 Euro, ein Unterschied von 12.775 Euro.

Arbeitnehmer brauchen in Deutschland eine stärkere politische Stimme.

Sahra Wagenknecht, BSW-Co-Chefin

2024 lag der Durchschnitt im Westen demnach nun bei 63.999 Euro Jahres-Bruttogehalt, im Osten bei 50.625, ein Unterschied von 13.375 Euro.

Am wenigsten verdienen Vollzeitbeschäftigte in Sachsen-Anhalt (46.708 Euro) und Thüringen (46.720 Euro), am meisten in Hessen (62.915 Euro) und Hamburg (62.517 Euro).

„Die Löhne der normalen Arbeitnehmer in Deutschland sind insgesamt viel zu niedrig, auch weil die regierungsgetriebene Inflation der letzten Jahre tief ins Portemonnaie der Bürger gegriffen hat“, sagte BSW-Co-Chefin Sahra Wagenknecht dem RND. „Im Schnitt 13.374 Euro weniger Lohn im Osten bei Vollzeitbeschäftigten ist 35 Jahre nach der Deutschen Einheit eine beschämende Bilanz.“

Die Lohnlücke von 21 Prozent werde „ein Schwerpunktthema für das BSW im Osten“, kündigte Wagenknecht an. „Arbeitnehmer brauchen in Deutschland eine stärkere politische Stimme.“

Das BSW fordere „Verbesserungen auf beiden Seiten“, sagte sie: „Höhere Löhne einerseits, niedrigere Steuern und nicht immer weiter steigende Sozialabgaben für Gering- und Normalverdiener andererseits.“

Lohnexperte sieht Kaufkraft deutlich gesunken

Das Statistische Bundesamt hatte am Freitag mitgeteilt, dass die Reallöhne von April bis Juni um durchschnittlich 1,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor lagen. Das ist bereits der neunte Quartalszuwachs in Folge. Er fällt höher aus als im ersten Quartal mit 1,2 Prozent, aber geringer als am Jahresende 2024 mit 2,5 Prozent.

Nominal legten die Löhne im Frühjahr um rund 4,1 Prozent zu, während die Verbraucherpreise um 2,1 Prozent stiegen. Der Reallohn gibt an, wie viel den Arbeitnehmern nach Abzug der Inflation tatsächlich übrig bleibt.

Trotz ordentlicher Anstiege der nominalen Bruttoverdienste kommt es zu keiner nennenswerten Erhöhung der real verfügbaren Lohneinkommen für die Arbeitnehmer.

Dominik Groll, Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW)

„Die Reallöhne steigen – wie schon im Jahr 2024“, sagte der Mindestlohnexperte aus dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, Malte Lübker, der Agentur Reuters. „Das ist eine gute Nachricht für die Beschäftigten und für die Konjunktur in Deutschland, die aktuell besonders stark auf die Binnennachfrage angewiesen ist.“

Allerdings sei die Kaufkraft der Löhne zuvor aufgrund der hohen Teuerungsraten deutlich gesunken. Inflationsbereinigt lägen die Löhne aktuell noch unter dem Niveau des zweiten Quartals 2019. „Eine lange Durststrecke für die Beschäftigten“, sagte Lübker.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht in hohen Sozialabgaben einen Grund für die Kaufzurückhaltung der Verbraucher. „Für die allermeisten Beschäftigten kommt hinzu, dass zu Jahresbeginn die Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung stark gestiegen sind, sodass vom Plus bei den realen Bruttolöhnen netto in diesem Jahr kaum etwas übrigbleiben dürfte“, sagte IfW-Experte Dominik Groll.

„Das bedeutet, dass trotz ordentlicher Anstiege der nominalen Bruttoverdienste es zu keiner nennenswerten Erhöhung der real verfügbaren Lohneinkommen für die Arbeitnehmer kommt.“ (lem)

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