
© AFP/Focke Strangmann
Einig nach außen, kritisch nach innen : Dobrindt sucht Rückendeckung für seinen Migrationskurs
Intensiv und ergebnisreich sei seine erste Innenministerkonferenz gewesen, sagt Alexander Dobrindt – und sieht „breite Zustimmung“ aus den Ländern für seine Migrationspolitik. Doch intern gibt es weiterhin Dissens.
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Alexander Dobrindt (CSU) ist ganz offensichtlich entspannt. In aller Ruhe ordnet er am Freitagnachmittag seine Notizen, während Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) neben ihm zur Charmeoffensive ansetzt: „Wir haben den Bund sehr schonend behandelt“, sagt er und blickt zu Dobrindt herüber. Der lächelt still in seine Akten hinein.
Dazu hat er erstmal allen Grund. Denn für den Bundesinnenminister ist Mäurers Bemerkung eine gute Nachricht. Die Innenministerkonferenz, die in den vergangenen zwei Tagen in Bremerhaven stattfand, war schließlich Dobrindts erstes Gastspiel in dieser Runde. Und zudem ein heikles. Denn der Bayer kam mit schwerem Gepäck.
Seit dem 8. Mai, dem ersten Tag seiner Amtszeit, hatte Dobrindt die Migrationspolitik sozusagen per Dekret aus Berlin teils massiv verschärft. Ein Umstand, der nicht in allen Ländern gut ankam. Gerade jene, die über deutsche Außengrenzen verfügen, fürchteten etwa durch die verstärkten Grenzkontrollen lange Staus und sonstige Verzögerungen – samt negativer Folgen für die grenzübergreifende Wirtschaft.
Demonstrative Einigkeit
Die Frage war also: Würde Dobrindt von den Ländern Rückendeckung für seinen Kurs erfahren? Oder würde er nach der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, das die Zurückweisung dreier Asylsuchender jüngst für nicht rechtskonform erklärte, den nächsten Nackenschlag einstecken müssen?
Am Freitag stellt Dobrindt sich selbst zumindest einen positiven Arbeitsnachweis aus: „Von der Innenministerkonferenz geht das Signal aus, dass wir die Zahlen der Migration weiter reduzieren wollen“, sagt er im Rahmen der Abschlusspressekonferenz. Besonders die für ihn zentrale Neuregelung der sicheren Herkunftsstaaten und die temporäre Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte hätten „breite Unterstützung“ erfahren, so Dobrindt weiter.
1000 festgestellte Schleuser
Wie zum Beweis breitet der Innenminister die Zahlen aus: 40 Prozent mehr Zurückweisungen seit seinem Amtsantritt, mehr als 25.000 seit Wiedereinführung der Grenzkontrollen durch seine Vorgängerin Nancy Faeser (SPD). Über 1000 festgestellte Schleuser, fast 6500 vollstreckte Haftbefehle.
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Alles gut also, die Sache läuft? So scheint an diesem Tag offenbar zumindest die offizielle Sprachregelung zu lauten. Auch Dobrindts Bremer Amtskollege Mäurer spricht von „Einigkeit und Verständigung“, während Hamburgs SPD-Innensenator Andy Grote betont, dass die „Maßnahmen erfolgreich“ seien. Und Joachim Herrmann, Innenminister Bayerns und CSU-Parteifreund Dobrindts, unterstreicht: „Wir wollen aus Bremerhaven der Rückführungsoffensive der Bundesregierung klaren Rückenwind geben.“ Es ist eine demonstrative Einigkeit.
Dissenz aus den Ländern
Und eine trügerische. Spricht man nämlich mit Vertretern der Länder, zeichnen diese die Lage hinter vorgehaltener Hand weniger rosig. Natürlich gebe es Dissens und Unzufriedenheiten, heißt es da. Zwar glaube man auch, dass Migration künftig besser gesteuert werden müsse, schließlich seien die Kommunen als letztes Glied der Kette seit Jahren überlastet.
Weitere zusätzliche Aufgaben oder Intensivierungen sind aus unserer Sicht nicht zu leisten.
Andreas Roßkopf, Bereichsvorsitzender Bundespolizei und Zoll der Gewerkschaft der Polizei
Aber gerade Länder mit hohem Industrieanteil weisen darauf hin, dass sie dringend Arbeitskräfte bräuchten – die auch aus dem Ausland kommen müssten. Da dürfe man keine falschen Signale senden. Zudem habe man intern darauf hingewiesen, dass die Grenzkontrollen kein Dauerzustand werden dürften, sonst drohten wirtschaftliche Einbußen.
Ähnlich sieht das offenbar auch die Bundespolizei, die den Großteil der migrationspolitischen Maßnahmen umsetzen muss. Sie klagt bereits seit Monaten über eine zu hohe Belastung. Und im Zuge der Innenministerkonferenz könnten nun nochmal neue Arbeitsfelder auf die Beamten zukommen. So soll die Bundespolizei sich künftig federführend um die Beschaffung von Ersatzdokumenten für Migranten ohne Ausweis kümmern. Bislang lag diese Aufgabe beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – unterstützt durch die Bundespolizei.
„Weitere zusätzliche Aufgaben oder Intensivierungen sind aus unserer Sicht nicht zu leisten“, sagte Andreas Roßkopf, Bereichsvorsitzender Bundespolizei und Zoll der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Vorfeld der Konferenz dem Tagesspiegel. „Im Gegenteil, schon jetzt bekommen wir für die momentanen Aufgaben nicht genügend Personal und haben mit Kündigungsraten von bis zu 30 Prozent zu kämpfen.“
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