zum Hauptinhalt
Die Debatte über den Endlager-Standort dürfte sehr emotional werden.

© Jens Wolf/dpa

Endlagersuche in Deutschland: "Wir halten die Zeitplanung für gefährlich"

Bis 2031 soll ein Standort für Atommüll gefunden sein. Schon jetzt ist klar, die Suche ist technisch und administrativ aufwendig, die Zeit knapp.

Die Frage, wo in Deutschland ein Atommüll-Endlager entstehen soll, ist äußerst heikel. Für die Menschen, in deren Nachbarschaft der strahlende Müll letztendlich eingelagert werden könnte, ist das Thema extrem emotional besetzt.

Und wie schwierig die Standortsuche ist, zeigt schon ein Blick auf den Zeitplan. Bis zum Jahr 2031 soll die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die mit ihrer Suche im September 2017 begann, einen Standort präsentieren. Erste Abfragen zu Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen gingen bereits an die Bundesländer. Eine Liste der potentiellen Regionen für ein Endlager für hochradioaktives Material soll Mitte 2020 vorliegen.

Kein Standort in Deutschland ist ausgeschlossen

Als Grundlage der Suche gilt die „weiße Landkarte“. Kein Standort in Deutschland ist ausgeschlossen. Ton-, Salz- und Granitgesteine kommen infrage, die erforderlichen Datenmengen sind enorm. „Wir haben festgestellt, dass Deutschland teilweise gut vermessen ist, aber die Daten für unsere Zwecke nicht immer taugen“, sagt Dagmar Dehmer, Leiterin der Unternehmenskommunikation der BGE.

Bis zu einer Tiefe von 300 Metern seien die Kenntnisse durch die Suche nach Trinkwasserquellen sehr gut. Der Bereich darunter sei jedoch erheblich wichtiger und nur punktuell erschlossen, etwa durch Bohrungen für Bodenschätze. „Es gibt weiße Flecken auf der Landkarte. Diese werden wir so schnell nicht schließen können“, sagt Dehmer.

Hinzu kommen administrative Probleme. So zum Beispiel die Anfrage zu den Kriterien, die etwa erdbebengefährdete Regionen ausschließen soll und schon im vergangenen Jahr an die Bundesländer verschickt wurde. 64 Ämter und Behörden sind involviert. In einigen von ihnen liegen die notwendigen Datensätze nicht digital vor, in anderen war man überfordert.

Es gibt auch rechtliche Probleme

„Die Anfrage war nicht spezifisch genug“, sagt Dehmer. Zwar wurden vonseiten der BGE Arbeitshilfen angefertigt, die zu besseren Rückläufen führten. Aber: „Wir stellen bei jedem Schritt fest, dass wir Neuland betreten. Wir haben schlicht keine Erfahrungswerte mit dem neuen Verfahren“, erklärt Dehmer.

Je nach Bundesland ergaben sich auch rechtliche Schwierigkeiten. Ein Beispiel ist Rheinland-Pfalz: Die Behörden des Landes lieferten angefragte Daten vorsätzlich mit teilweise falschen Geo-Koordinaten, da Rechtsstreitigkeiten mit Explorationsfirmen befürchtet wurden, die die Daten einst erstellten.

Ähnliche Schwierigkeiten gab es in Sachsen, deren zuständige Stellen sich weigerten, Datensätze zu liefern, die der einstigen Wismut AG zugeordnet werden – zu DDR-Zeiten einer der größten Uranproduzenten der Welt. Die Ironie: Die heutige Wismut GmbH und ihre Daten befinden sich vollständig in Bundesbesitz. In manchen Bundesländern wird offenbar angenommen, dass man als potenzieller Standort ausscheidet, wenn weniger Daten geliefert werden.

Gefordert wird ein Geowissenschaftsdatengesetz

„Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Dehmer. „Ein Geowissenschaftsdatengesetz, das ein Gleichgewicht zwischen dem Eigentumsrecht an Daten und dem Recht auf Information herstellt, wird noch immer dringend benötigt, um Transparenz im Standortauswahlverfahren zu schaffen.“

Thorben Becker, Atomexperte vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), sagt: „Es ist fast illusorisch, davon auszugehen, dass bis 2031 ein Endlager gefunden ist. Wir halten die Zeitplanung für gefährlich, weil Zeitdruck letztlich zu einer Vereinfachung des Verfahrens führen könnte.“ Es werde aber länger dauern, wenn man die Bürger intensiv einbeziehe. Gleichzeitig müsse man die administrativen und rechtlichen Probleme in den Griff bekommen. Auch Becker sagt: „Das Geowissenschaftsdatengesetz ist überfällig.“

Vor Kurzem appellierte Grünen-Chef Robert Habeck im Tagesspiegel an die Länder, dem Suchprozess im gesamten Bundesgebiet keine Steine in den Weg zu legen: „Wir können nicht mehr auf Zeit spielen. Es ist die Aufgabe unserer politischen Generation, die Verantwortung tatsächlich zu übernehmen und ein Endlager zu finden, das so sicher wie irgend möglich ist. Der Atommüll löst sich nicht in Luft auf.“

BUND fordert Entscheidung im Konsens

Einen offenen politischen Konflikt zwischen den Bundesländern sieht Becker derzeit zwar nicht. Allerdings haben Bayern, Sachsen und Niedersachsen massiv versucht, ihre Interessen durchzusetzen, als das Standortauswahlgesetz ausgearbeitet wurde. So versuchten Bayern und Sachsen zwischenzeitlich zum Beispiel zu erwirken, dass Regionen mit Granitgestein von der Endlagersuche ausgenommen werden sollten.

Für den BUND ist klar: „Entscheidend ist, dass sich die Gesellschaft als Ganzes auf einen Standort einigt. Ein transparentes, aufwendiges Verfahren ist unverzichtbar.“ Die Einlagerung von 1900 Castoren werde bereits bei Zustimmung der Menschen in der Region eine gewaltige Herausforderung. Ohne die Menschen werde es aber nicht gehen. „Letztlich geht es vor allem um Vertrauen. Das ist in Deutschland, gerade nach dem Gorleben-Prozess, eine heikler Aspekt, bleibt aber Grundvoraussetzung.“

Wenn Mitte 2020 der Zwischenbericht über die infrage kommenden Regionen vorliegt, sind weitere Komplikationen und Proteste denkbar. Dutzende Regionen könnten dann noch gelistet sein. Zudem ist der Start der Bürgerbeteiligung erst zu diesem Zeitpunkt vorgesehen. Nicht auszuschließen ist, dass sich dann die Bilder des massiven Widerstands wie in Gorleben wiederholen. „Alle Akteure sind der Auffassung, dass 2031 eine sehr ambitionierte Vorgabe des Gesetzes ist“, sagt Dehmer.

Zur Startseite