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Die Stimmung ist gegen die Grünen gekippt - ähnlich, wie dieses Wahlplakat.

© dpa/Jan Woitas

Enttäuschte und Verschreckte: Die Grünen schrumpfen von zwei Seiten

Die Grünen stürzen bei der Europawahl dramatisch ab. Auf der Suche nach Ursachen ist die Partei ratlos. Sie sollte bei sich selbst anfangen.

Felix Hackenbruch
Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Stand:

Dass sich die Stimmung in den vergangenen Jahren verändert hat, konnten die Grünen auf ihrer eigenen Wahlparty in der Berliner Columbiahalle beobachten. Auf den Nachbarbalkon neben der Außenfläche hatte sich über Stunden ein Mann gestellt und den Grünen den Rücken zugedreht, um ihnen eine Botschaft von seinem T-Shirt zu senden: „Fuck Grüne“.

Nach dem Rekordergebnis bei der Europawahl 2019 mit 20,5 Prozent sind die Grünen fünf Jahre später der Wahlverlierer des Abends. Es ist ein dramatischer Absturz. In Hochrechnungen am Abend fällt die Partei auf unter zwölf Prozent. Noch einmal drei Prozentpunkte schlechter als nach dem Bundestagswahlkampf, durch den die damalige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gestolpert war.

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Doch über die Gründe für das Fiasko herrscht bei den Grünen Ratlosigkeit. 2024 sei nicht 2019, man habe seitdem die Pandemie, den Ukrainekrieg und die Inflation erlebt, sagte die weitgehend unbekannte Spitzenkandidatin der Grünen, Terry Reintke. Es habe eine „andere Atmosphäre in der Gesellschaft“ gegeben. Fuck Grüne eben.

Doch die Stimmung hat sich nicht einfach so gedreht. Die Grünen haben Fehler gemacht, Wähler enttäuscht und Vertrauen verloren. Dramatisch ist für die Partei, dass sie von zwei Seiten schrumpft.

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Das zeigen unter anderem die vorläufigen Daten der Wählerwanderung. Demnach verlieren die Grünen an das linke Lager, etwa an Kleinparteien wie Volt oder die Linke. Vor allem aber gingen mehr als eine halbe Millionen Grünen-Wähler von 2019 überhaupt nicht mehr wählen.

Es sind die Menschen, von denen die Grünen dachten, dass sie als ihre Kernklientel unerschütterlich zu ihnen stehen. Doch selbst ein Mobilisierungswahlkampf, der vor allem mit den Themen Klimaschutz und Demokratie bespielt wurde, verfing nicht. Trotz Hochwasser, trotz Rechtsruck. Die frühere Anhängerschaft traut den Grünen offenbar keine Lösung zu.

560.000
Wählerinnen und Wähler verloren die Grünen an die Union.

Der andere Teil der verlorenen Wähler traut den Grünen wohl überhaupt nicht mehr. 560.000 frühere Grünen-Wähler machten laut Wählerwanderung dieses Mal bei der Union ihr Kreuz. Statt im bürgerlichen Lager weiter auszugreifen, verlieren die Grünen hier gravierend.

Es sind Stimmverluste, die die Grünen besonders schmerzen dürfte. Irgendwann zwischen Atomausstieg und Heizungsgesetz ist man vom Kurs zur Volkspartei (im Grünen-Jargon Bündnispartei) abgekommen. Die Grünen treffen den gesellschaftlichen Ton nicht mehr. Nicht nur die Jugend läuft ihnen nun davon.

Breite Teile der Gesellschaft sehen sich von den Grünen bedroht – kulturell, wie finanziell. Eine gefährliche Mischung, denn die Bevölkerung sehnt sich nach Sicherheit. Das erkennt man schon an den drei wahlentscheidenden Themen dieser Europawahl: Friedenssicherung, soziale Sicherheit und Zuwanderung.

Die Grünen werden sich in den kommenden Wochen entscheiden müssen: Wollen sie die Enttäuschten im linken Lager zurückerobern, oder die Verschreckten aus den bürgerlichen Milieus wieder stärker ansprechen? In der Parteispitze scheint man sich uneins – schlechte Voraussetzungen, um die Stimmung wieder zu drehen.

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