zum Hauptinhalt
Polizeiaktion gegen kurdische Politiker in Diyrbakir

© Sertac Kayar/File Photo/REUTERS

Kommunen unter Zwangsverwaltung: Erdogan verstärkt Repression auch gegen Kurden in der Türkei

Bürgermeister werden abgesetzt, kurdische Politiker verhaftet: Im Windschatten des Syrien-Einmarsches geht die Regierung in Ankara gegen türkische Kurden vor.

Während die Welt auf die türkische Intervention gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien blickte, hat die Regierung in Ankara die kurdischen Kommunalverwaltungen im eigenen Land abgeräumt.

Die türkische Regierung stellte in den vergangenen Tagen mehrere Städte im kurdisch besiedelten Südosten unter staatliche Zwangsverwaltung; die gewählten Bürgermeister von der Kurdenpartei HDP wurden abgesetzt und verhaftet.

Ein halbes Jahr nach den Kommunalwahlen vom Frühjahr stehen nun insgesamt zwölf Kommunen im Kurdengebiet wieder unter Zwangsverwaltung. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon vor den Kommunalwahlen im März angekündigt, er werde die gewählten Bürgermeister im Kurdengebiet absetzen lassen, wenn sie sich als „Terrorhelfer“ erweisen sollten.

Die Regierung in Ankara wirft der Kurdenpartei HDP vor, von der Terrororganisation PKK gelenkt zu werden, die ihrerseits mit der Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien verbandelt ist.

Die HDP bestreitet ihre organischen und personellen Verbindungen mit der Miliz zwar nicht, tritt aber für Gewaltfreiheit ein und weist den Vorwurf der Terrorunterstützung zurück. Im türkischen Parlament stimmte die HDP als einzige Partei gegen den Einmarsch in Nordsyrien.

Mehr Militär in türkischen Kurdengebieten

Seit Beginn der Intervention zeigt das türkische Militär auch im Kurdengebiet auf der türkischen Seite der Grenze vermehrt Präsenz mit Straßensperren und Kontrollpunkten, wie unsere Korrespondentin dort beobachtete.

Wenige Tage nach dem Einmarsch wurden die beiden Ko-Bürgermeister der Stadt Nusaybin festgenommen, die an der syrischen Grenze liegt und nur durch eine Mauer von der nordsyrischen Stadt Qamishli getrennt ist. Die Stadt wurde letzte Woche unter Zwangsverwaltung gestellt, ebenso die Kommunen Hakkari, Yüksekova und Ercis, die weitab vom Kampfgebiet liegen.

In dieser Woche waren die Kommunen Kocaköy, Kayapinar und Bismil an der Reihe: Ihre HDP-Bürgermeister wurden verhaftet und durch Zwangsverwalter ersetzt. Schon im August waren die Bürgermeister der drei größten Städte im Kurdengebiet abgesetzt worden: Diyarbakir, Mardin und Van. Im September wurden auch die Bürgermeister von zwei kleineren Kommunen, Kulp und Karayazi, verhaftet und durch Zwangsverwalter ersetzt.

Bürgermeister von Diyarbakir im Gefängnis

Der abgesetzte Bürgermeister von Diyarbakir, Selcuk Mizrakli, wurde an diesem Montag bei Morgengrauen von der Polizei aus seiner Wohnung geholt und festgenommen; am Dienstag erging Haftbefehl gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Der Arzt und frühere HDP-Parlamentsabgeordnete war bei der Kommunalwahl im März mit fast 63 Prozent zum Oberbürgermeister von Diyarbakir gewählt worden. Die Stadt war damit nach zweieinhalbjähriger Zwangsverwaltung zu einer gewählten Kommunalregierung zurückgekehrt, die aber nur wenige Monate währte.

Auch gegen die Parteispitze der HDP gingen die türkischen Behörden im Windschatten der Intervention verschärft vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Vorsitzenden der HDP, Sezai Temelli und Pervin Buldan, sowie weitere Mitglieder der Parteiführung. Weil sie mit Presseerklärungen öffentlich gegen den Krieg eintraten, wird ihnen Terrorpropaganda und Herabwürdigung der türkischen Regierung zur Last gelegt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false