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Kaukasus-Republik: Erneut Aktivistin in Tschetschenien ermordet

UPDATE In Grosny ist zum zweiten Mal binnen eines Monats eine Bürgerrechtlerin entführt und getötet worden. Mit ihrem Mann wurde Sarema Sadulajewa tot aufgefunden. Außenminister Steinmeier forderte eine rasche Aufklärung des Verbrechens.

Knapp einen Monat nach dem Mord an Natalia Estemirowa ist in Tschetschenien erneut eine Menschenrechtlerin verschleppt und ermordet worden. Die Leichen von Sarema Sadulajewa, Leiterin einer Hilfsorganisation in Grosnyj, sowie ihres Ehemanns wurden in einem Vorort der tschetschenischen Hauptstadt gefunden. Dies teilte zunächst die Nichtregierungsorganisation Memorial mit. Inzwischen hat die Polizei bestätigt, dass die beiden Leichen im Kofferraum eines Autos gefunden wurden. Das Paar sei erschossen worden.

Zuvor hatte Memorial die Entführung von Sadulajewa publik gemacht. Demnach hielt sich das Ehepaar zum Zeitpunkt der Entführung im Büro der Organisation in Grosnyj auf. Bewaffnete Männer hätten die Büroräume betreten und die beiden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Dann seien sie von den Unbekannten in einem Auto weggebracht worden. Laut Augenzeugen waren beide ohne Gewaltanwendung in das Auto gestiegen. Die Behörden hatten daraufhin mitgeteilt, es lägen keine Hinweise auf eine Entführung vor.

Sadulajewa leitete die regierungsunabhängige Hilfsorganisation "Save the Generations", die psychologische und ärztliche Hilfe für Kinder und Jugendliche leistet, die Opfer der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geworden sind. Sie organisiert insbesondere die medizinische Behandlung und Versorgung mit Prothesen von tschetschenischen Kindern. In der Vergangenheit hat sie auch mit deutschen Ärzten zusammengearbeitet.

"Die Arbeit der beiden war völlig unpolitisch", sagte Ludmila Alexejewa von der Menschenrechtsorganisation Moscow Helsinki Group. "Sie haben einfach behinderten Kindern und Jugendlichen aus armen Verhältnissen geholfen." Die Tat belege aber, dass in der russischen Unruheprovinz immer noch Anarchie herrsche. "Es zeigt einfach, dass all jene in bestimmten Machtpositionen mit einer Waffe machen können, was sie wollen."

Der moskautreue Präsident Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, sprach von einem "zynischen, unmenschlichen und demonstrativen Morden". Nach dem Tod Estemirowas hatte er Beschuldigungen zurückgewiesen, er habe die Bluttat angeordnet. Russlands Präsident Dmitri Medwedew forderte eine Aufklärung des "scheußlichen Verbrechens". "Leider ist das nicht das erste Verbrechen in Tschetschenien gegen diejenigen, die einfachen Menschen mit zivilisierten Methoden helfen, ihre Rechte wahrzunehmen und Gerechtigkeit zu erfahren", sagte ein Kremlsprecher. Medwedew habe die Generalstaatsanwaltschaft, das Innenministerium und den Geheimdienst mit den Ermittlungen beauftragt.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich betroffen: "Ich bin bestürzt über die Ermordung von Sarema Sadulajewa und ihres Mannes und verurteile diese feige Tat auf das Schärfste". An die russischen Behörden appellierte er, Täter und Drahtzieher rasch zu finden und zur Verantwortung zu ziehen. Erneut mahnte Steinmeier auch die Aufklärung des Mordes an Estemirowa an.

Tschetschenien ist für Menschenrechtler ein gefährliches Terrain. Erst vor gut einem Monat war die prominente Menschenrechtlerin Estemirowa verschleppt und ermordet worden. Sie arbeitete für Memorial, einer der ältesten und bekanntesten Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Russland, und war eng befreundet mit der ebenfalls ermordeten Anna Politowskaja. Die russische Journalistin hatte immer wieder aus der Kriegs- und Krisenregion berichtet.

Beide Fälle sind wie andere Morde an Bürgerrechtlern in Russland nicht aufgeklärt. Memorial macht den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadirow oder dessen Untergebene für den Mord an Estemirowa verantwortlich. Dieser wies die Anschuldigungen zurück, hatte Estemirowa aber zuvor mehrmals persönlich kritisiert. Jahrelang war die Aktivistin von Staatsorganen bei ihrer Arbeit behindert und bedroht worden.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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