zum Hauptinhalt
Finanzminister Christian Lindner gibt nach der wöchentlichen Kabinettssitzung eine Erklärung ab.

© Foto: Reuters/MICHELE TANTUSSI

Update

Liberale unter 5 Prozent in Niedersachsen: FDP-Chef Lindner spricht von „einem traurigen Abend“

Dem vorläufigen Endergebnis zufolge schafft es die FDP nicht mehr in den Landtag. Damit setzt sich ein Trend fort: Sie muss im Ampel-Bündnis zunehmend Federn lassen.

Trotz der Umfragen waren die FDP-Spitzen lange bemüht, ein gutes Ergebnis für die Liberalen bei der Landtagswahl in Niedersachsen herbeizureden. Dass die FDP den Wiedereinzug in den Landtag in Hannover nicht schaffen könnte? Daran sei nicht zu denken. Stattdessen gaben Parteichef Christian Lindner und andere Spitzen-Liberale die Parole aus, möglichst an der nächsten Landesregierung als „Kraft der Mitte“ beteiligt zu sein.

Um Punkt 18 Uhr war zumindest dieser Traum ausgeträumt. Das vorläufige Endergebnis am späten Abend zerstörte dann auch die Hoffnung, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein.

Dem zufolge verfehlten die Liberalen mit 4,7 Prozent auch den Wiedereinzug in den niedersächsischen Landtag. Damit muss die FDP in der vierten und letzten Landtagswahl des Jahres ihre vierte Schlappe verkraften.

„Linke Projekte verhindern“

Für die Ampel-Koalition mit SPD und Grünen im Bund kann das nichts Gutes bedeuten: „Wir müssen verhindern, dass linke Projekte in dieser Koalition umgesetzt werden“, gab sich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der ARD kämpferisch. „Die Stimme der FDP in dieser Koalition muss noch deutlicher zu erkennen sein.“ Nach Einschätzung des Wahlforschungsinsituts Forsa ist aber nicht die Ampel das größte Problem für die FDP, sondern eher die AfD.

Parteimitglieder der FDP reagieren auf der Wahlparty der FDP enttäuscht auf die ersten Hochrechnungen.
Parteimitglieder der FDP reagieren auf der Wahlparty der FDP enttäuscht auf die ersten Hochrechnungen.

© Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Lindner trat schon eine halbe Stunde nach der Prognose gegen 18.30 Uhr in der Parteizentrale in Berlin vor die versammelten Anhängerinnen und Anhänger, die höflich Applaus spendeten. Es sei „ein trauriger Abend“ für die FDP, räumte der 43-jährige Bundesfinanzminister ein und fügte hinzu: „Wir haben einen politischen Rückschlag erlitten.“

Wir haben einen politischen Rückschlag erlitten“ 

FDP-Parteichef Christian Lindner

Ziel der Liberalen sei es gewesen, dass es in Niedersachsen zu keinem Linksruck kommen würde. „Das war das, was wir verhindern wollten“, sagte Lindner. Mit der Aussicht auf einen Regierungswechsel in Hannover von einer großen Koalition aus SPD und CDU hin zu einem rot-grünen Bündnis sei dieses Ziel nicht erreicht worden.

Haltung wahren bei schlechten Wahlergebnissen, damit hat Lindner in diesem Jahr schon reichlich Erfahrung machen müssen. In Schleswig-Holstein flog die FDP aus der Regierung, ebenso in Nordrhein-Westfalen, und im Saarland verpasste die Partei wieder den Einzug in das Saarbrücker Parlament.

Es zeichnet sich zunehmend der Trend ab, dass die FDP im Ampelbündnis mit SPD und Grünen auf Bundesebene am stärksten Federn lässt. Dieser Eindruck würde in Hannover bestätigt. In der Frage nach der Zukunft der Ampel hielt Linder allerdings auch am Sonntagabend Kurs. Deutschland befinde sich in einem Energiekrieg und in einer Wirtschaftskrise, sagte Lindner im ZDF auf die Frage, ob er die Ampel nicht besser verlassen sollte. Und die FDP stehe „in Verantwortung für das Land“.

Ampel-Koalition sei kein Liebes-Bündnis

Die Ampel-Koalition sei für die FDP kein Liebes-Bündnis, macht Lindner immer wieder deutlich. Für viele Anhängerinnen und Anhänger der Liberalen sei die Kröte einer Koalition mit SPD und Grünen nur schwer zu schlucken gewesen. Den Eindruck, die FDP sei mit dem Eintritt in die Bundesregierung nach links gerückt, weist Lindner entschieden zurück. Die Liberalen seien nicht links der Mitte, „das sind wir nicht, wir sind in der Mitte“, betonte er auch am Sonntagabend.

Entsprechend müsse sich die FDP in der Ampel künftig noch stärker positionieren und mit entscheidenden Lösungsbeiträgen profilieren, gab er sich allerdings zurückhaltender als General Djir-Sarai.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ein konkretes Thema sprach Lindner dabei erneut an: Die Energiepolitik. Die FDP tritt seit langem dafür ein, die drei noch am Netz angeschlossenen Atomkraftwerke länger in Betrieb zu halten, um die Versorgung mit Strom in Deutschland zu gewährleisten.

Lindner hat zuletzt noch eins drauf gelegt und sich dafür ausgesprochen, zwei stillgelegte AKWs darauf vorzubereiten, wieder ans Netz zu gehen - für die Grünen und ihren Wirtschaftsminister Robert Habeck ein absolutes No-Go. Doch Lindner bleibt dabei. Am Sonntagabend bedauerte er, dass die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen die FDP bei ihrem Kurs einer „ideoligiefreien Energie“ nicht unterstützt hätten. „Aber die Fakten bleiben, trotz des landespolitischen Rückschlags.“

„Ihr seid nicht allein“

Und noch ein Feld macht der FDP-Chef als Baustelle auf: das gute Abschneiden der AfD, die eine „zerstrittene, konzeptfreie, rechtspopulistische“ Partei sei und nun zweistellig im Landtag von Niedersachsen vertreten sein werde. Man müsse die AfD zum einen jetzt dort stellen, wo sie Narrative des russischen Präsidenten Wladimir Putin bediene.

Es sei aber auch wichtig, dass sich gerade die FDP an die Wählerinnen und Wähler wende, „die mit ihren wirtschatflichen Sorgen und Abstiegsängsten das Gefühl haben, von den etablierten Parteien nicht gesehen zu werden“. Dies gelte auch für das klassische FDP-Klientel, etwa für Handwerk und Mittelstand. „Ihr seid nicht allein“, rief Lindner.

Forsa-Chef Manfred Güllner sieht hier das größte Problem für die Liberalen. Die Rechtspopulisten hätten in Niedersachsen im klassischen Wählerrevier der FDP gewildert. „Viele Mittelständler, die bisher FDP gewählt haben, sind zur AfD gewechselt“, sagte Güllner der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag und ist sich sicher.

Die Ausblutung in Richtung rechts ist das Hauptproblem der FDP.“

Forsa-Chef Manfred Güllner

„Die Ausblutung in Richtung rechts ist das Hauptproblem der FDP.“ Die Liberalen seien im Kern eine Klientelpartei für Handwerker und Freiberufler geblieben. „Die fühlen sich von der Ampel in der Energiekrise aber schlecht vertreten“, sagte Güllner. „Bisher gab es eine klare Abgrenzung zwischen FDP-Klientel und AfD“, sagte der Meinungsforscher. „Die ist brüchig geworden, verstärkt durch die Energiekrise.“ (Reuters/Alexander Ratz)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false