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Awet Tesfaiesus zieht über der Grünen in Hessen in den Bundestag ein.

© Anja Köhne

Erste schwarze Frau im Bundestag: „Nach den Anschlägen von Hanau wollte ich mehr tun“

Awet Tesfaiesus ist die erste Schwarze Frau im Bundestag. Hier spricht die Grünen-Politikerin über Chancengleichheit, Rassismus und das Gefühl, Deutsche zu sein.

Awet Tesfaiesus ist Rechtsanwältin für Asylrecht in Kassel und war dort für die Grünen im Stadtparlament. Jetzt zieht sie über die Landesliste der Grünen als erste Schwarze Frau in den Bundestag ein.

Wir haben das Jahr 2021 und erst jetzt ziehen Sie als erste schwarze Frau in den Bundestag ein – wie kann das sein?
Mich wundert sehr, dass sich so viele Menschen darüber wundern. Auch in den sozialen Medien lese ich das häufig. Ich frag mich: Wo waren sie die ganze Zeit? Darüber reden wir doch schon so lange, dass Schwarze Menschen aufgrund von Rassismus und Diskriminierung nicht dieselben Chancen haben. Wer selbst nicht davon betroffen ist, sieht das nicht. Das ist Teil des Problems.

Was hat Sie dazu gebracht, für den Bundestag zu kandidieren?
Ausschlaggebend waren die Anschläge in Hanau. Das war ein Schockmoment für mich. Ich hatte das Gefühl, nicht genug im Kampf gegen Rassismus getan zu haben. Obwohl ich mich damals schon auf kommunaler Ebene politisch engagiert habe. Ich wollte mehr tun.

Nach den rassistischen Anschlägen in den 90er-Jahren war das noch anders. Damals dachte ich: Du machst die Schule fertig und gehst ins Ausland, in Deutschland hast du keine Zukunft. Ich bin doch geblieben und habe meine Rechtsanwaltskanzlei eröffnet. Jetzt will ich mich im Bundestag mit ganzer Kraft dem Thema Antirassismus widmen.

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Sie haben mal gesagt, dass es Ihnen lange schwerfiel, sich als Deutsche zu bezeichnen – was hat sich geändert?
Ich bin in Eritrea geboren und als Kind mit meinen Eltern nach Deutschland gezogen. Ich kam hier nicht an und war Deutsche. Es war ein langer Prozess. Auch als ich Deutsch sprach und die Staatsbürgerschaft hatte, war ich noch unsicher, ob mich mein Umfeld als Deutsche akzeptieren würde. Das ist in Deutschland sehr viel schwieriger als zum Beispiel in den USA.

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Wie können Parlamente diverser werden?
Ich bin die einzige Schwarze Frau im Bundestag, es wäre aber gut, wenn wir mehr wären. Ich würde mich gerne mit anderen politisch streiten können. Auch wir haben unterschiedliche Perspektiven. Wie wichtig das ist, zeigt die Gleichberechtigung zwischen Männer und Frauen. Da wären wir längst nicht so weit, wenn nicht irgendwann Frauen in den Bundestag gekommen wären und die notwendigen Gesetze gefordert hätten. Genauso brauchen wir jetzt ein wirksames Antidiskriminierungsgesetz.

Wofür wollen Sie sich im Bundestag konkret einsetzen?
Für Chancengleichheit und Antirassismus. Ich hoffe, dass wir diesen Themen in den anstehenden, schwierigen Koalitionsverhandlungen Nachdruck verleihen können. Als Juristin weiß ich, wie wichtig es ist, dass wir die notwendigen Gesetze dafür bekommen. Ich hoffe, dass ich jetzt auch wirklich etwas bewirken kann.

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