Politik: Erster Prozess vor US-Militärtribunal
Anklage im Gefangenenlager Guantanamo richtet sich gegen den „australischen Taliban“ David Hicks
Stand:
Im US-Militärlager Guantanamo hat am Montag das erste Strafverfahren gegen einen Terrorverdächtigen vor einem der umstrittenen Militärtribunale begonnen. Im Fall des Australiers David Hicks vereinen sich die Rechtsprobleme und internationalen Verwicklungen, die die Gefangenenpolitik der Bush-Regierung belasten. Vorausgegangen war ein jahrelanger Rechtsstreit in den USA bis hinauf zum Verfassungsgericht um die Zulässigkeit der Tribunale. Die Bush-Regierung war in Teilen unterlegen, 2006 erließ der Kongress ein Gesetz, das den Tribunalen eine neue rechtliche Grundlage gab.
Der 31-jährige Hicks ist ein Beispiel, wie sich die Sympathien seit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 gedreht haben. Ihm wird geworfen, er habe Al Qaida unterstützt. Der frühere Känguruhjäger Abu Muslim al Austraili hatte in einem Ausbildungslager in Afghanistan trainiert und war aufgegriffen worden, ehe er in den Dschihad ziehen konnte. In seiner Heimat war damals die Empörung über ihn groß. Heute gilt er dort als „verirrte Seele“ und „Möchtegernkrieger“, der durch die mehr als fünf Jahre Haft in Guantanamo gestraft genug sei. Der Zorn richtet sich jetzt gegen die Bush-Regierung. Hicks Militäranwalt Michael Mori, Major der US-Marines, hat wegen seiner geschickten Öffentlichkeitsarbeit für Hicks Heldenstatus in Australien. Die Regierung hat in Washington interveniert und eine Beschleunigung des Verfahrens gegen Hicks erreicht. Australien ist ein Verbündeter mit Truppen im Irak.
Die Rechtsverfahren in Guantanamo folgen der Auffassung der Bush-Regierung, die USA befänden sich in einem Krieg gegen den Terror. Folglich werden die Regeln des Kriegsrechts angewandt. Die meisten Insassen gelten als „unrechtmäßige Kombattanten“ – „unrechtmäßig“, weil sie nicht in Uniform kämpfen und Grundregeln wie den Schutz von Zivilisten ignorieren. Sie werden als Kriegsgefangene mit minderen Rechten bis Ende der Kämpfe gefangen gehalten, aber nicht als Straftäter angeklagt. Das geschieht nur mit einer kleinen Gruppe von Terrorverdächtigen, darunter Hicks. Auch sie kommen nicht vor ein Zivilgericht, sondern vor ein Militärtribunal.
Dort sind alle zentralen Rollen mit US- Offizieren besetzt, die eine juristische Ausbildung haben: Richter, Ankläger, Verteidiger. Die Angeklagten können zusätzlich zivile Anwälte in ihr Verteidigungsteam holen. Viele Außenstehende zweifeln wegen dieser Konstruktion an der Objektivität der Gerichte und fürchten, die Offiziere machten gemeinsame Sache, die Angeklagten seien schutzlos. Tatsächlich scheint die Rollenverteilung bisher zu funktionieren. Der US-Marine Mori verteidigt Hicks so effektiv unter Nutzung der internationalen Kritik an Guantanamo, dass er Chefankläger Oberst Morris Davis zu einem Zornausbruch trieb: Mori beleidige die Armee, der er selbst angehöre. Das trug Davis einen Befangenheitsantrag zu Prozessbeginn ein.
Die Verteidiger und die Menschenrechtsorganisationen fordern, dass die Angeklagten vor Zivilgerichte in den USA gestellt werden. Sie haben gegen die Militärtribunale geklagt, die Bush 2002 per Dekret eingesetzt hatte. Das Verfassungsgericht entschied, der Präsident habe damit seine Vollmachten überschritten, er brauche die Zustimmung des Parlaments. Die obersten Richter erklärten aber weder die Tribunale an sich noch das Lager Guantanamo für rechtswidrig. Das neue Gesetz des Kongresses enthält einige fragwürdige Bestimmungen. Nicht alle Unterlagen der Anklage werden öffentlich gemacht. Und die Bestimmungen über die Grenze zwischen zulässigem Druck bei Verhören und unzulässiger Folter sind schwammig.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: