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Ein Polizist kontrolliert einen Kleinbus.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Sachelle Babbar

„Es braucht eine echte Migrationswende“: Das kritisieren Experten an den Migrationsplänen von Schwarz-Rot

Das Sondierungspapier von Union und SPD enthält konkrete Festlegungen zum umstrittenen Thema Migration. Was ist von den Plänen zu halten? Das sagen unsere Experten.

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Union und SPD formulieren in ihrem Sondierungspapier ein klares Ziel: „Wir werden Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen.“ Doch sind die Maßnahmen, auf die die Parteien sich verständigt haben, realistisch und welche Folgen hätten sie?

„Es braucht eine echte Migrationswende“, sagt der Migrationsforscher Gerald Knaus dem Tagesspiegel. Dafür aber brauche es vor allem zwei Dinge, die im Sondierungspapier gar nicht genannt würden. Das seien zum einen neue EU-Abkommen mit Drittstaaten. Zum anderen müsse Deutschland den bald kommenden Vorschlag der Europäischen Kommission zu sicheren Drittstaaten unterstützen. Dabei geht es darum, mehr Möglichkeiten zu schaffen, Asylsuchende in sichere andere Staaten zu bringen.

Von dem, was tatsächlich im Papier steht, hält Knaus manches für sinnvoll. „Was bis jetzt vorgestellt wurde, bringt aber noch nicht den versprochenen großen Durchbruch“, sagt er. Dieser Durchbruch bleibe möglich, das hänge aber vom Handeln der nächsten Regierung ab.

Umstrittene Zurückweisungen

Im Papier findet sich der hochumstrittene Begriff der Zurückweisungen an den deutschen Grenzen auch für Asylsuchende – allerdings ist die Rede von „Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“. Migrationsforscher Raphael Bossong hält die Formulierung daher für einen „gesichtswahrenden Ausweg“ für die Union. Maximalforderungen wie die Erklärung eines Notstandes wären demnach vom Tisch, sagt er dem Tagesspiegel.

Der Jurist und Migrationsexperte Daniel Thym sagte der „Süddeutschen Zeitung“, er empfehle, Zurückweisungen nur für bestimmte Personen, etwa junge Männer, und zeitlich befristet durchzuführen. „Das erhöht die Chance, dass die Gerichte mitspielen.“

Als Verhandlungserfolg der Union wertet Bossong die Vereinbarung, dass freiwillige Aufnahmeprogramme zum Beispiel für Menschen aus Afghanistan gestrichen werden. „Damit werden in der SPD so einige unglücklich sein.“ Ähnlich schätzt er die Beendigung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte ein.

Verabredet haben Union und SPD auch, die „Begrenzung“ der Migration wieder ausdrücklich als Ziel in das Aufenthaltsgesetz aufzunehmen. „Das hat keinen unmittelbaren großen Effekt, aber eben doch eine politische Bedeutung“, sagt Bossong.

Durch den Fünf-Punkte-Plan der Union aus der Zeit vor der Wahl ist eine Idee in Erinnerung, die sich ebenfalls im Sondierungspapier findet: die Inhaftierung ausreisepflichtiger Personen.

Einigkeit bei Rückführungen

„Das Thema ist verankert, aber deutlich vorsichtiger und verhältnismäßiger, als es vor der Wahl bei der Union noch klang“, sagt dazu Bossong. So ist im Papier die Rede nur noch von einer „Möglichkeit für einen Ausreisearrest“.

Insgesamt aber sei die Rückführungsoffensive ein Thema, wo sich Union und SPD vergleichsweise einig seien. „Beide Parteien wollen die Zahl der Rückführungen erhöhen, es war absehbar, dass das Sondierungsergebnis hier relativ klar ist, und so ist es auch gekommen.“

Das Verhandelte liege in Teilen nah am hochumstrittenen Zustrombegrenzungsgesetz, das die Union vor der Wahl im Bundestag zur Abstimmung gestellt hatte.

Vereinbart sind beispielsweise mehr Kompetenzen für die Bundespolizei. Die Beamten sollen künftig für ausreisepflichtige Ausländer vorübergehende Haft oder Ausreisegewahrsam beantragen können, um ihre Abschiebung sicherzustellen.

Und dann findet sich noch eine weitere Idee zu einem hochumstrittenen Thema im Papier: „Wir wollen, dass die Bezahlkarte deutschlandweit zum Einsatz kommt, und werden ihre Umgehung unterbinden“, haben Union und SPD beschlossen.

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