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Politik: Europagegner schlafen nicht

Fischer reist nach Ankara, wo Generäle die EU-Pläne ablehnen

Die türkische Regierung hat sich für dieses Jahr viel vorgenommen: Sie will das Zypern-Problem lösen, die beschlossenen demokratischen Reformen mit Leben erfüllen und die EU zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen überreden. Viele europäische Spitzenpolitiker wollen sich persönlich vom Stand der Dinge überzeugen und geben sich in der Hauptstadt Ankara die Klinke in die Hand. Letzte Woche kam EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, am Mittwoch fliegt Joschka Fischer in die Türkei, im Februar wird Bundeskanzler Gerhard Schröder erwartet. Vorher reist Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan noch zu George W. Bush nach Washington. Doch Erdogans europafeindliche Gegner in Ankara schlafen nicht.

Das erlebte auch der Chef der EU-Kommission. Prodi sprach in Ankara den Prozess gegen die Kurdenpolitikerin Leyla Zana an und legte damit den Finger auf eine türkische Wunde. Zana ist seit einem vom Europäischen Menschenrechtsgericht beanstandeten Urteil 1994 in Haft, und kein Reformgesetz hat daran bisher etwas ändern können. Der Fall ist beispielhaft für die Probleme der türkischen Regierung: Erdogan wäre es recht, wenn Zana endlich freikäme, doch konservative Kräfte in der Justiz tun ihr Bestes, um die Reformen zu behindern und die Regierung zu blamieren. Wie als Antwort auf Prodi lehnte es Zanas Richter am Tag nach dessen Rede ab, die 42-Jährige auf freien Fuß zu setzen. Der EU-Kommissionschef fand das alles „sehr traurig“.

Dieser innenpolitische Konflikt wird auch bei Fischers Besuch in Ankara in dieser Woche eine Rolle spielen. Mit seinem türkischen Amtskollegen Abdullah Gül und mit Erdogan will Fischer bei seinem zweiten Türkei-Besuch innerhalb von zwei Monaten auch über das Zypern-Problem reden, bei dem die Türkei unter Zeitdruck steht. Wenn es bis zur Aufnahme Zyperns in die EU im Mai keine Lösung für die geteilte Insel gibt, werden die 30000 türkischen Soldaten dort zur Besatzungsmacht auf EU-Gebiet.

Erdogan sucht einen Ausweg und will im Laufe der Woche eine neue türkische Verhandlungsposition festzurren; schon Anfang Februar könnte es dann neue Verhandlungen geben. Doch die Armee leistet Widerstand. General Hursit Tolon, Kommandant der westtürkischen Ägäis-Armee, sagte am Wochenende, es gebe „Hochverräter“, die Zypern im Interesse der EU-Bewerbung verschenken wollten. „Nur zur Information“ fügte Tolon im Namen der Armee drohend hinzu: „Wir passen auf.“

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