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Flucht aus Myanmar: Angehörige der Minderheit der Rohingya haben in Indonesien Schutz gefunden. Nach Europa schafft es nur ein Bruchteil der Menschen, die weltweit fliehen müssen.

© Cem Mak

UN-Migrationspakt: Migration geht nicht, Flüchtlinge schon

Selbst Österreich und Ungarn haben vor drei Wochen für den UN-Flüchtlingspakt gestimmt. Anders als das Schwesterabkommen über Migranten ist er kaum umstritten.

Migrationsfachleute und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR sind zuversichtlich, dass das UN-Flüchtlingsabkommen nicht unter ähnlichen Beschuss gerät wie sein Schwestervertrag, der Migrationspakt, und dass es am 17. Dezember in der UN-Vollversammlung eine große Mehrheit erhält. Der Text hat Mitte November in New York die Abstimmung in einem Komitee der UN-Vollversammlung überstanden. „Dabei haben 176 Staaten ja gesagt, darunter alle EU-Staaten, auch die, die kritisch zum Migrationspakt stehen. Das einzige Nein kam von den USA“, sagte der Dresdner Politologe und Migrationsfachmann Oliviero Angeli.

Ganz Europa stimmte für den Flüchtlingspakt

Und selbst die US-Vertreterin habe erklärt, ihr Land unterstütze vieles im Text des "Global Compact On Refugees". Damit werde es weiteren Ländern schwer, das Nein der USA als Legitimation für eigenen Widerstand zu nutzen – erst recht, wenn sie erst vier Wochen zuvor dafür gestimmt hätten. Im Fall des Migrationspakts hätten sich viele Nein-Sager durch Washington ermutigt gefühlt. Andererseits stehe aber etwa die Regierung in Wien bereits unter Druck, auch diesen Text nicht zu unterschreiben, so Angeli während eines Gesprächs auf Einladung des „Mediendiensts Integration“. Die politische Rechte argumentiere, dass das Nein zum Migrationspakt konsequent auch das zum Flüchtlingspakt nach sich ziehen müsse.
Während der Migrationspakt die Rechte aller Menschen behandelt, die ihre Heimatländer hinter sich lassen, geht es im parallel verhandelten Flüchtlingsabkommen nur um die, die dies – durch Kriege, Hunger oder Umweltkatastrophen – erzwungen tun. Er soll ihre Lage verbessern, sie auf eigne Füße stellen und Bedingungen für ihre sichere Rückkehr schaffen. Außerdem soll die ie Verantwortung für Flüchtlinge, Kosten und Belastungen weltweit gerechter verteilt werden.

Das erste Dokument seit fast 70 Jahren

Der Fluchtforscher Marcus Engler nannte das System internationaler Flüchtlingsverantwortung, das nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, „eine enorme zivilisatorische Errungenschaft“. Das gelte, obwohl die Regeln des Regimes, etwa die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder die EU-Menschenrechtskonvention, immer wieder gebrochen und umgangen würden und das System „erhebliche Schwachstellen“ habe. So erhalte das UNHCR-Budget Jahr für Jahr bestenfalls die Hälfte des nötigen Geldes von den Mitgliedsstaaten, die dazu oft Bedingungen damit verknüpften. Dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge, Resettlement in sicheren Aufnahmestaaten oder ihre sichere Rückkehr in die Heimatländer, blieben unzureichend. Bis 1945 aber seien noch Millionen Kriegsflüchtlinge abgewiesen, sich selbst überlassen oder sogar ermordet worden.
Der Sprecher der UNHCR-Vertretung in Deutschland Martin Rentsch sagte, Deutschland sei „einer der wenigen Motoren in der Flüchtlingspolitik“, der, ergänzte Engler, dies umso mehr bleiben müsste, als die USA, jahrzehntelang treibende Kraft, sich unter Donald Trump zurückzögen. Es sei aber nicht sicher, ob der Flüchtlingspakt helfen werde. Trotz des ersten großen UN-Flüchtlingsgipfels 2016 und der folgenden Verhandlungen über den Flüchtlingspakt, den ersten seit der GFK von 1951, wie Rentsch betonte, hat sich die Lage real verschlechtert: Resettlement-Plätze für Flüchtlinge in sicheren Ländern sind in den letzten Jahren eher weniger geworden, der Abstand zwischen Bedarf und Angebot klafft jährlich weiter. So ermittelten die Vereinten Nationen für dieses Jahr, dass weltweit 1,2 Millionen Resettlements nötig wären. Angeboten haben mögliche Aufnahmeländer bisher lediglich 41.000.

Vorbild Uganda

Dabei sind es nicht immer große und reiche Länder, die vorbildlich Flüchtlinge aufnehmen. In Berlin sprach Fred Moses Mukhooli über die Politik seines Heimatlands. Mukhooli war Abteilungsleiter für die ugandische Diaspora im Außenministerium seines Landes und ist jetzt Diplomat an der Botschaft Ugandas in Berlin. In Uganda unterliegen Flüchtlinge keinen Beschränkungen, nur das Wahlrecht haben sie nicht. Sie leben meist nicht in Lagern, sondern meist in Siedlungen, haben gleichen Zugang zu Schulen und zum Gesundheitssystem, dürfen arbeiten und erhalten sogar Land, um es zu bestellen. Die ethnischen Zugehörigkeiten überschritten ohnehin die von den Kolonialmächten willkürzlich gezogenen Staatsgrenzen, außerdem kämen Flüchtlinge "zu uns, weil Uganda seit dem Sturz der Diktatur von Idi Amin demokratisch und stabil ist", sagte Mukhooli. Die Rechte der Flüchtlinge - "wir hatten ab 1945 auch polnische, italienische und deutsche Geflüchtete bei uns" - sind Teil der Landesgesetze. Derzeit gewährt Uganda mit seinen 35 Millionen Bewohnern einer Million Geflüchteten Schutz. Obwohl die ugandische Gesellschaft gastfreundlich sei, so Mukhooli, seien ihre Ressourcen beschränkt, weswegen Uganda die Hilfe Europas und der UN schätze. An Deutschland appellierte der Diplomat, die Mittel aus seinem "Marshall-Plan für Afrika" an Bedingungen zu knüpfen und Geld nur dahin zu geben, wo die Verhältnisse demokratisch seien und die Menschenrechte geachtet würden.

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