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Die Fahnen verschiedener Bundesländer.

© dpa

Bund und Länder: Föderalismus à la Lenin

Einmischen und kontrollieren: Der Bund will sich erhebliche Eingriffs- und Weisungsrechte in den Ländern verschaffen. Das Misstrauen ist offenkundig groß.

Es ist nicht nur so, dass die 16 Länder in Berlin Politik mit dem Bund machen – immer wieder treibt der Bund auch Politik mit ihnen. Etwa indem er Verhandlungen mit den Ländern nutzt, um ein Zugeständnis hier mit einer Zumutung da zu verbinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Vereinbarung vom 14. Oktober, in der die Bundesseite das Finanzausgleichsmodell der Ministerpräsidenten akzeptierte und auch zu einer größeren finanziellen Beteiligung bereit war. Wobei die Summe von 9,5 Milliarden Euro immer etwas übertrieben war, nimmt man allein die Tatsache, dass die Länder einen gewissen Anspruch haben auf eine Beteiligung am Solidaritätszuschlag, wenn der über 2019 hinaus erhoben wird. Denn der ist ein Aufschlag auf die Einkommensteuer, und die wiederum teilen sich Bund, Länder und Kommunen gewöhnlich mit einem festen Schlüssel. Dass der „Soli“ ewig vom Bund allein vereinnahmt werden kann, ist nirgends festgelegt.

Wie auch immer: Die 16 Ministerpräsidenten mussten im Oktober einer Liste von Bundesforderungen zustimmen, darunter die geplante Bundesautobahngesellschaft, deren Einzelpunkte sich so lesen, als seien sie lauter Selbstverständlichkeiten, die aber in der Summe zu einer nicht unbeträchtlichen Verlagerung von Macht und Kontrolle im Bundesstaat führen werden. Vor allem das Bundesfinanzministerium tut sich seit Jahren damit hervor, die Länder stärker an die Leine zu legen. Es ist ja auch nicht ganz einfach, wenn man sich den Föderalismus so vorstellt, dass das Herrchen namens Bund es mit 16 unbändigen, ungezogenen Kreaturen zu tun hat. Die zudem in alle denkbaren Richtungen zerren und einem gelegentlich auch noch in die Hand beißen, auf der doch nur das Zuckerchen liegt, mit dem sie in die gewünschte Richtung gelockt werden sollen. Aber sie sind eben nicht so leicht zu locken und zu lenken, und sie haben nach der Verfassung auch ihren Freiraum. Oder wie es ein Berliner Akteur sagt, der die Leine gern strammer ziehen würde: Immer kämen sie einem mit ihrer Autonomie.

Mischfinanzierungen sollen wieder wachsen

Diese soll jetzt aber wieder etwas beschnitten werden. Die Länder sollen einer ganzen Reihe neuer Kontroll- und Eingriffsrechte des Bundes zustimmen. Zum Beispiel soll es eine stärkere Überwachung der Verwendung von Bundesmitteln durch den Bundesrechnungshof geben – und zwar bei den „Mischfinanzierungstatbeständen“, wie es im Vorschlag zur entsprechenden Grundgesetzänderung heißt. Also all jenen Programmen, mit denen der Bund sich in Zuständigkeiten der Länder und Kommunen einmischt. Jenen Programmen, die man eigentlich mal zurückfahren wollte, unter anderem wegen besagter Autonomie, die jetzt aber wieder fröhlich ausgeweitet werden. Aktuelles Beispiel ist das ins Auge gefasste Programm, mit dem der Bund das Sanieren von Schulbauten in finanzschwachen Kommunen mit 3,5 Milliarden Euro unterstützen will. Das soll jetzt auch noch ins Grundgesetz geschrieben werden, als Artikel 104c, nur die konkrete Summe steht nicht drin. Wie sehr das Bundesstaatsverständnis insbesondere im Bundesfinanzministerium von Wladimir Iljitsch Lenin und seinem Merksatz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ geprägt ist, macht der Formulierungsvorschlag für den neuen Artikel 104b, Absatz 2, im Grundgesetz deutlich, in dem es um Finanzhilfen des Bundes geht: „Zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung kann die Bundesregierung Bericht und Vorlage der Akten verlangen, Erhebungen bei allen Behörden durchführen und im Einzelfall zur Sicherstellung der zweckentsprechenden Mittelverwendung Weisungen gegenüber der obersten Landesbehörde erteilen.“ Auch in der Steuerverwaltung soll es mehr Weisungsrechte geben. Das alles riecht doch stark nach Kommandoföderalismus.

Um ihr Begehr plausibel klingen zu lassen, stimmen Bundespolitiker und Bundesbeamte gern ein Lied an mit dem Refrain: „Die Länder können es halt nicht.“ Auch werden bisweilen Märchen erzählt. Eines davon ließ sich jüngst auf den Satz reduzieren: Aus dem laufenden Programm zur Finanzierung schwacher Kommunen in Höhe von ebenfalls 3,5 Milliarden Euro, beschlossen 2015, seien bisher nur 50 Millionen Euro abgeflossen. Will heißen: Der Bund macht was, aber die da unten kriegen es nicht hin. Man musste schon ein bisschen nachhaken, um zu erfahren, dass immerhin die Hälfte der Milliardensumme bereits fest mit Einzelprojekten belegt ist.

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