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Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry Anfang März bei einer Wahlkampfveranstaltung in Schleswig-Holstein.

© Daniel Reinhardt/dpa

AfD-Chefin: Frauke Petry in der Lucke-Falle

Mit ihrem öffentlichen Nachdenken über Alternativen zur Politik hat die AfD-Chefin ihre Partei in Aufruhr versetzt - und einen taktischen Fehler begangen. Schon ihr Vorgänger drohte einst mit Rücktritt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sidney Gennies

Sie hatte doch alles anders machen wollen als ihre Vorgänger. Sie, die Partei, Alternative für Deutschland. Und sie, die Chefin, Frauke Petry, 41 Jahre alt. Es wäre eine gute Idee gewesen. Es hätte klappen können. Seit Donnerstag ist klar: Der Versuch ist kläglich gescheitert. Schon wieder.

Kurz vor dem Bundesparteitag am 22. April, an dem die AfD über den oder die Spitzenkandidaten entscheiden will, hat Frauke Petry im Tagesspiegel offen darüber nachgedacht, wie das wohl wäre, wenn sie sich aus der Politik zurückzöge. Es sei sinnvoll „ab und an das eigene Leben zu überdenken und neu zu justieren“. Die Botschaft an die Parteifreunde lässt sich leicht übersetzen: Macht ihr nicht, was ich will, habe ich eine Alternative zur Alternative. Und andersrum?

Seitdem ist die Partei mal wieder in Aufruhr. Von Erpressung ist die Rede, davon, dass Petry - die zuletzt in ihrem eigenen Landesverband Sachsen so derb angegriffen wurde, dass sie anfing zu weinen - mit ihrem angedeuteten Rücktritt Querdenker auf Linie bringen wolle. Und ihr ewiger Widersacher im Vorstand, Alexander Gauland, verbreitete sogleich, die Drohung sei wohl kaum ernst zu nehmen. Petry selbst ließ mittlerweile mitteilen, ohnehin sei alles nicht so gemeint gewesen.

Die Partei ist so gespalten, wie lange nicht mehr. Ja, seit wann eigentlich?

Es war - Frauke Petry wird sich erinnern, denn sie war dabei - der 4. Juli 2015. Damals stürzten die Mitglieder auf dem Parteitag in Essen AfD-Gründer Bernd Lucke, der daraufhin Tausende Anhänger mit in seine neue Partei „Alfa“ nahm, die heute LKR heißt und kein Mensch mehr kennt.

Der Irrglaube, unersetzlich für die Partei zu sein

Lucke war mehreren Irrtümern erlegen. Er dachte zum Beispiel, er stehe einer modernen, unverdorbenen und im Grunde liberalen Partei vor. Die Idee war, das diffuse Bauchgefühl einer politikverdrossenen Wählerschaft in akademische Forderungen zu kleiden, also die Rassismen und Vorurteile seiner Anhänger in diskursfähige Positionen einer modernen Partei des gesunden Menschenverstandes zu übersetzen. Dabei hatte der national-konservative Flügel, die der Fokussierung Luckes auf Wirtschaftsthemen und des Euros überdrüssig war, längst das Gros der Partei hinter sich - mit Frauke Petry an der Spitze.

Sein zweiter Irrtum bestand darin, zu glauben, er sei für die AfD wichtiger als sie für ihn. Auch Bernd Lucke drohte mit Rücktritt.

Sie hat die AfD zur Ein-Themen-Partei gegen Flüchtlinge gemacht

Jetzt, nicht ganz zwei Jahre später, steht Frauke Petry genau dort, wo einst Lucke stand. Dass ausgerechnet sie, die sich mehr deutsche Lieder und notfalls den Schusswaffengebrauch an der Grenze wünscht, im Flügelkampf der AfD auf der gemäßigten Seite steht, sagt wenig über sie aus. Aber viel darüber, wie weit die Partei unter ihr nach rechts gerückt ist. Wie Lucke 2015 erkennt sie ihre eigene Partei kaum wieder, in der Rechtsausleger wie der thüringische Abgeordnete Björn Höcke das Berliner Holocaust-Mahnmal als Denkmal der Schande bezeichnen und darauf hinweisen dürfen, dass es ein Problem sei, wenn Hitler so oft als das absolut Böse dargestellt werde.

Der Unterschied: Aus der Ein-Themen-Partei, die gegen den Euro wettert, hat sie eine Ein-Themen-Partei gemacht, die gegen Flüchtlinge agitiert. Und: Eine zweite Aufspaltung würde die AfD nicht überleben. Gut möglich also, dass ihr Kalkül doch aufgeht und sich die Mitglieder hinter ihr versammeln.

Auch AfD-Funktionären geht es um Macht und Posten

Der Preis aber ist hoch. Die Partei, die angetreten war, anders zu sein - transparenter, offener, ehrlicher - kann die neuerliche Schlammschlacht nicht mehr mit Geburtsschwierigkeiten einer neuen politischen Bewegung entschuldigen. Vier Jahre nach ihrer Gründung tritt die AfD gerade den Beweis an, dass es auch ihren Funktionären um Macht und Posten geht - und nicht um den kleinen Mann am Stammtisch.

In Umfragen liegt die AfD bei 7 Prozent. So schlecht wie seit Luckes Zeiten nicht mehr. Vielleicht also lässt sich Petrys Sinnieren über den politischen Ruhestand auch anders lesen. Vielleicht plant sie schon für den Fall, dass die Partei bis zur Bundestagswahl noch den Sprung unter die Fünf-Prozent-Hürde hinbekommt.

Hart im Streben: Wie Frauke Petry mit Politik und Partei ringt und warum sie an Grenzen kommt, lesen Sie in unserem Porträt im Online-Kiosk Blendle.

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