
© freepik, unsplash (Dakota Corbin), Gestaltung: Sabine Wilms
Gerechter Ausgleich oder Belastung für Jüngere: Was bringt die Mütterrente zur Schließung der Rentenlücke?
Frauen bekommen im Alter im Schnitt weniger Rente als Männer – und Mütter weniger als Frauen ohne Kinder. Die CSU drängt deswegen darauf, die Mütterrente auszuweiten. Hilft das oder ist es nur teuer?
Stand:
Für die CSU ist das Projekt ein zentrales Wahlversprechen. Doch nicht nur das. Parteichef Markus Söder ging auf der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion zu Jahresbeginn sogar so weit zu sagen: Wer gegen die Mütterrente ist, hat kein Herz. Schließlich gebe man für Migrantinnen und Migranten oder Bürgergeldempfänger deutlich mehr Geld aus. Doch hilft das Vorhaben wirklich dabei, die Rentenlücke zu schließen, oder ist es nur ein teures Wahlgeschenk? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Kindererziehungszeiten werden in Deutschland seit 1986 bei der Rente berücksichtigt. Grundsätzlich erhält der Elternteil mit der Hauptverantwortung für die Erziehung – meistens also die Mutter – für eine begrenzte Zahl an Jahren jeweils rund einen Rentenpunkt.
Seit 2014 regelt die sogenannte Mütterrente, dass für nach 1992 geborene Kinder insgesamt drei Rentenpunkte gewährt werden. Für Kinder, die davor geboren wurden, gab es zunächst einen Punkt. Seit 2019 sind es 2,5.
Was fordert die CSU?
Die CSU will, dass Müttern auch für vor 1992 geborene Kinder drei statt wie bisher maximal zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet werden.
Der womöglich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hatte stets zurückhaltend auf die CSU-Forderung reagiert. In das Sondierungspapier von Schwarz-Rot hat es das Projekt trotzdem geschafft. „Wir vollenden die Mütterrente mit drei Rentenpunkten für alle – unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder –, um gleiche Wertschätzung und Anerkennung für alle Mütter zu gewährleisten“, heißt es darin.
Wie steht die SPD dazu?
Für die SPD ist das Versprechen stabiler Renten zwar ein zentrales. Die Mütterrente ist ihr allerdings kein Herzensanliegen. Der SPD-Politiker Ralf Stegner signalisierte gegenüber dem Tagesspiegel zuletzt Kompromissbereitschaft bei dem Thema. „Wir haben nichts gegen die Mütterrente“, sagte der SPD-Politiker: „Aber man kann über alles sprechen.“ Er bezweifelt allerdings, dass die CSU bereit wäre, über die geplante Ausweitung der Leistungen nochmal zu reden.
Hilft die Mütterrente bei der Schließung der Rentenlücke?
Einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge führt die Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Rente nur zu einer geringfügig niedrigeren Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern im Alter.
„Nach fast 40 Jahren kann diese Rentenreform nur teilweise als Erfolg bewertet werden: Sie hilft Müttern, aber nicht ausreichend“, resümiert Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin. „Mütter in Westdeutschland weisen nach wie vor deutlich niedrigere Rentenansprüche auf als kinderlose Frauen und als Männer.“
Demnach haben zwischen 1952 und 1959 geborene Männer im Alter von 60 Jahren in Westdeutschland einen Rentenanspruch von durchschnittlich 1420 Euro. Bei Frauen dieser Jahrgänge lägen die Ansprüche selbst unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten mit 890 Euro im Monat 37 Prozent niedriger.
Ohne die Kindererziehungszeiten wäre die Lücke mit 41 Prozent nur wenig größer, hieß es. Vergleicht man nur Mütter mit kinderlosen Frauen, ist der Effekt ebenfalls begrenzt. Der Hauptgrund dafür sei, dass insbesondere in Westdeutschland Mütter auch viele Jahre nach der Geburt überproportional oft in Teilzeit arbeiteten und damit erheblich weniger Rentenansprüche sammeln können.
In Ostdeutschland ist die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern mit zehn Prozent grundsätzlich geringer, zudem profitieren Frauen hier bei der Rente davon, Kinder zu haben – sie sind gegenüber kinderlosen Frauen sogar bessergestellt. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kindererziehungszeiten ihren Zweck nur dann erfüllen können, wenn Frauen die Möglichkeit haben, zeitnah nach der Geburt eines Kindes in eine Vollzeit- oder vollzeitnahe Beschäftigung zurückzukehren“, schreiben die DIW-Autoren.
Was sagen andere Ökonominnen?
Auch andere Fachleute bezweifeln die Wirksamkeit der Mütterrente. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hält sie für aus der Zeit gefallen. Sie plädiert schon lange für eine grundlegende Reform, die Rentenansprüche eher begrenzt statt weiter ausweitet. „Das war ein reines Wahlgeschenk“, sagte die Ökonomin der „Rheinischen Post“: „Anstelle der Mütterrente hätte man die Bahn sanieren oder Brücken bauen können.“
Auch ihre Kollegin aus dem Sachverständigenrat, Veronika Grimm, hält nichts von der Mütterrente. „Ich glaube, wir können uns nicht leisten, noch weitere Geschenke zu verteilen im Wahlkampf“, sagte die Ökonomin kürzlich.
Was kostet sie?
Die jährlichen Kosten für die Mütterrente in ihrer bisherigen Form belaufen sich auf rund 14 Milliarden Euro jährlich. CSU-Chef Markus Söder verwies bei der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion auf zusätzliche Kosten von geschätzt vier Milliarden Euro pro Jahr. Die Deutsche Rentenversicherung geht von eher fünf Milliarden Euro aus.
Nach der bisherigen Finanzplanung für das Jahr 2025 klafft im Haushalt weiter ein Loch von bis zu 30 Milliarden Euro. Durch das am Dienstag im Bundestag beschlossene milliardenschwere Finanzpaket hätte eine schwarz-rote Koalition rund 25 Milliarden Euro mehr Spielraum im regulären Haushalt.
Der Beitragssatz würde für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht notwendigerweise steigen. „Wenn die Finanzierung aus dem Bundeshaushalt erfolgen würde, dann hätte eine Mütterrente III keinen Effekt auf den Beitragssatz“, sagte der Sprecher der Deutschen Rentenversicherung. Andernfalls „würde der Beitragssatz nach den Faustformeln durchschnittlich um rund 0,2 Prozentpunkte höher liegen“.
Auf Details zur Finanzierung haben sich die Parteien bisher nicht festgelegt. Darüber wird nun in den Koalitionsverhandlungen gesprochen. In der Arbeitsgruppe 5 verhandeln unter Leitung von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und der Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, 16 Vertreterinnen und Vertreter der Christ- und Sozialdemokraten. (mit dpa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: