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Gegen Beamte des Zolls ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück schon seit Längerem.

© dpa/Boris Roessler

Zoll-Affäre vor Bundestagswahl 2021: Gericht hält Durchsuchung des Justizministeriums für unverhältnismäßig

Das Landgericht Osnabrück bewertet die Durchsuchung im Vorfeld der Wahl als überzogen. Kritiker hielten sie damals für politisch motiviert.

Stand:

Das Landgericht Osnabrück hat die Durchsuchung im Bundesjustizministerium kurz vor der Bundestagswahl 2021 als unverhältnismäßig eingestuft und den Durchsuchungsbefehl aufgehoben. Beamte hatten das Haus im Zuge von Ermittlungen wegen der möglichen Strafvereitelung bei einer für Geldwäschebekämpfung zuständigen Einheit des Zolls durchsucht.

Wichtige Voraussetzungen für den Erlass seien nicht erfüllt, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Die Vernichtung von Beweismitteln sei nicht zu befürchten gewesen. Auch hätten keine eiligen Gründe für die Durchsuchung bestanden.

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Zudem hätten die Ermittler nicht geklärt, ob das Haus die fraglichen Beweismittel nicht auch freiwillig herausgegeben hätte. Jedenfalls sei vorab keine entsprechende schriftliche Anfrage der Staatsanwaltschaft erfolgt, erklärten die Osnabrücker Richter.

Das Gericht bewertete den Beschluss, den das Osnabrücker Amtsgericht auf Antrag der Osnabrücker Staatsanwaltschaft erlassen hatte, zudem als unnötig und „unangemessen“. Ein Schriftstück, um das es den Ermittlern gegangen sei, habe ihnen bereits durch eine frühere Razzia beim Zoll vorgelegen.

Folgen der Durchsuchung nicht angemessen

Darüber hinaus hätten „Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten“ im Justizministerium nicht bestanden. Die Folgen der Durchsuchung stünden in keinen angemessenem Verhältnis zu deren Auswirkungen, auch mit Blick auf das „Ansehen“ der Bundesrepublik.

Die Durchsuchungen der Osnabrücker Staatsanwaltschaft waren wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 9. September 2021 erfolgt. Sie richteten sich hauptsächlich gegen das Bundesfinanzministerium, das damals der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) führte. Dem Ministerium ist der Zoll unterstellt.

20. September 2021: Der damalige Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) wird im Finanzausschuss des Bundestags zur Durchsuchung befragt.

© dpa/Carsten Koall

Parallel wurde auch das Justizministerium durchsucht, weil es ebenfalls in bestimmte interne Kommunikations- und Abklärungsprozesse der Zolleinheit eingebunden ist. Bei den damaligen Durchsuchungen wollten die Ermittler Beweismittel sichern, vermuteten aber keine strafbaren Handlungen in den Ministerien selbst.

Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Strafvereitlung im Amt gegen Verantwortliche der Zentralstelle des Zolls für Geldwäschebekämpfung, der sogenannten Financial Intelligence Unit (FIU). Sie war früher dem Bundeskriminalamt zugeordnet und ist seit 2017 eine Abteilung des Zolls. Die FIU nimmt Verdachtsmeldungen etwa von Banken entgegen, prüft sie und leitet sie gegebenenfalls an Strafverfolgungsbehörden weiter.

Verdachtsmeldungen seien nicht weitergegeben worden

In einem bereits länger andauernden Ermittlungsverfahren geht die Staatsanwaltschaft Osnabrück dem Verdacht nach, dass die Einheit solche Verdachtsmeldungen in mehreren Fällen nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet habe. Dazu fanden bereits im Mai 2021 Durchsuchungen bei der Generalzolldirektion in Bonn statt.

Durch die Durchsuchungen in den Ministerien sollten die Identitäten der an den Vorfällen beteiligten Mitarbeiter feststellt sowie deren „Motivlage“ für bestimmte Verhaltensweisen rekonstruiert werden, wie das Osnabrücker Landgericht nun in seinem Beschluss formuliert.

Vorwurf, die Durchsuchung habe politische Motive gehabt

Die Durchsuchungen kritisierten Vertreter des Finanz- und des Justizministeriums umgehend als ungewöhnlich und unnötig, der Vorgang löste im Bundestagswahlkampf großes Aufsehen aus. Schnell stand damals der Vorwurf im Raum, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft könne mit politischen Motiven zusammenhängen. Das CDU-Mitglied Bernard Südbeck leitet nämlich die Osnabrücker Staatsanwaltschaft.

[Lesen Sie auch: Durchsuchung im Finanzministerium und ihre Folgen. Olaf Scholz, Jan Böhmermann und eine Razzia als vermeintliche Verschwörung (T+)]

Der Durchsuchungsbeschluss gelangte damals rasch in die Medien. Wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg kürzlich entschied, muss das Finanzministerium und insbesondere der heutige Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) diesen Vorgang jedoch nicht aufklären.

Das Justizministerium legte einen Tag nach der Wahl, am 27. September, Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss beim Osnabrücker Amtsgericht ein. Dieses legte den Vorgang dem Osnabrücker Landgericht vor. (AFP)

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