Politik: Gericht verbietet Knebelverträge in Ehen
Bundesrichter erkennen aber Abmachungen zwischen Partnern im Prinzip an / Kommt Klageflut?
Karlsruhe/Berlin. Eheleute können den finanziellen Ausgleich für den Fall einer Scheidung weitgehend nach eigenen Bedürfnissen regeln. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil am Mittwoch entschieden. Allerdings dürfe der Schutzzweck des Eherechts zugunsten des wirtschaftlich Schwächeren nicht unterlaufen werden, betonte der für Familiensachen zuständige 12. Zivilsenat. In bestimmten „Kernbereichen“ dürfe ein Partner daher nicht unangemessen belastet werden. In diesem Zusammenhang nannten die Richter den nachehelichen Unterhalt, den Unterhalt für die Kinder sowie Versorgungsansprüche im Alter und bei Krankheit.
In dem jetzt entschiedenen Fall ging es um einen Unternehmensberater und seine Frau aus Augsburg, die rund drei Jahre nach der Heirat 1985 einen Ehevertrag unterschrieben hatten. Darin waren gegenseitige Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt bis auf den Kindesunterhalt sowie der Ausgleich für Zugewinn und Rentenansprüche ausgeschlossen worden. Nach der Scheidung im Jahr 2001 wollte der Mann nur etwa 1300 Euro zahlen, obwohl sein Nettoeinkommen auf 14 000 Euro im Monat gestiegen war. Die Frau, eine studierte Kunsthistorikerin, die früher als Archäologin tätig war, betreut beide Kinder und verdient in einem Spielzeugladen Geld dazu. Das Oberlandesgericht München hielt den Vertrag in einem früheren Urteil für unwirksam und sprach ihr 3800 Euro zu. Dieses Urteil hat der BGH nun aufgehoben. Jetzt muss das OLG prüfen, ob der Ehemann künftig mehr zahlen muss.
Die Gültigkeit eines Ehevertrages muss nach dem Karlsruher Urteil in zwei Stufen überprüft werden, zum einen nach den Lebensverhältnissen bei Vertragsabschluss und zum anderen nach der Situation bei der Scheidung. Denn auch wenn der Vertrag bei Abschluss nicht sittenwidrig war, kann er im Laufe der Ehe anfechtbar geworden sein. Er muss dann von den Gerichten für nichtig erklärt oder angepasst werden. Bislang hatten die Gerichte nur die Möglichkeit, extrem einseitige Verträge als sittenwidrig einzustufen und damit ganz zu kassieren. Die Gütertrennung und den damit verbundenen Ausschluss des in der Ehe erzielten Zugewinns hielten die Richter indes für zulässig.
Das Urteil betrifft rund 40 000 Paare jährlich, die neben der standesamtlichen Heirat noch einen Ehevertrag abschließen. Auf die Gerichte könnte nun eine Welle von Klagen zurollen, mit denen Benachteiligte ihre Verträge prüfen lassen wollen. Denn Einzelheiten zu den Kriterien nannte der BGH nicht.
Bereits nach einem Urteil des Verfassungsgerichts vor drei Jahren gab es zahlreiche Verfahren wegen angeblich nichtiger Eheverträge. Damals erklärte das Gericht den Verzicht einer Schwangeren auf alle Ansprüche bis auf einen bescheidenen Kindesunterhalt für unwirksam.