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Das Segelschulschiff der Deutschen Marine "Gorch Fock" bei einer Fahrt auf der Ostsee 2015

© Bernd Wüstneck / dpa

Exklusiv

Bundesrechnungshof: Gorch Fock war nicht "uneingeschränkt seetüchtig"

Das Verteidigungsministerium meint, nach Instandsetzung des Segelschulschiffs sei die Sicherheit nicht gefährdet gewesen. Der Bundesrechnungshof widerspricht.

Der Bundesrechnungshof (BRH) sieht die Sicherheit des Personals auf der Gorch Fock – anders als das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) – auch nach der Instandsetzung von 2012 gefährdet. Das geht aus einer entsprechenden Stellungnahme hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

In dem Schreiben heißt es: „Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand können wir die Einschätzung des BMVg, dass nach Abschluss der Instandsetzung 2012 die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten nicht mehr beeinträchtigt war, nicht nachvollziehen. Die bisher am Schiff durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen bestätigen unsere Einschätzung, dass die Marine nicht davon ausgehen konnte, dass das Schiff bis zur Eindockung Anfang 2016 uneingeschränkt seetüchtig war.“

Kosten von 10 Millionen auf 135 Millionen gestiegen

Zuvor hatte das Verteidigungsministerium in einer Stellungnahme des Ministeriums an den Bundestag zwar Fehler eingestanden. Staatssekretär Thomas Silberhorn hatte aber auch geschrieben: „Vor allem legt das BMVg Wert auf die Feststellung, dass nach Abschluss der Instandsetzung 2012 auch nach Ansicht der Havariebeauftragten die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten nicht mehr beeinträchtigt war.“

Damit gerät bei der „Gorch Fock“ – neben den stetig wachsenden Kosten – auch der Aspekt der Sicherheit wieder stärker in den Fokus. Zu Jahresbeginn hatte der Bundesrechnungshof in einem Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, für die stark gestiegenen Sanierungskosten des Segelschulschiffs auch jahrelange Versäumnisse bei Bundeswehr und Verteidigungsministerium verantwortlich gemacht. Die Kosten für die Sanierung des Dreimast-Seglers waren über die Jahre rasant die Höhe geschnellt. Ursprünglich waren 10 Millionen Euro vorgesehen, dann wurde auf 75 Millionen erhöht, inzwischen sind die veranschlagten Kosten auf bis zu 135 Millionen Euro gestiegen.

Laut dem Bericht des Bundesrechnungshofs war die „Gorch Fock“ zuletzt vor knapp 40 Jahren vollständig technisch untersucht und dokumentiert worden. Seit 2016 wird der 1958 gebaute Dreimaster jetzt überholt. In den mehr als 50 Jahren hatte es bei mehr als 14.000 Kadetten nur eine geringe Zahl tödlicher Unfälle gegeben. Aufsehen erregte indes 2008 der Fall der damals 18-jährige Jenny Böken. Die Sanitätsoffiziersanwärterin war bei einer Ausbildungsfahrt in der Nordsee vom Oberdeck verschwunden. Elf Tage wurde ihre Leiche nordwestlich von Helgoland aus dem Meer gezogen.

Insolvenz der Elsfelther Werft

Zu Kostenexplosion und der zeitlichen Verzögerung bei der Sanierung waren jüngst die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten der Elsfelther Werft gekommen, die einen Insolvenzantrag gestellt hat. Hintergrund sind mutmaßlich veruntreute Gelder in Millionenhöhe, was von der Leyen der inzwischen geschassten Leitungsriege der Werft zuschrieb.

Der FDP-Haushaltspolitiker Karsten Klein forderte, die Amtszeit von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) genauer auf den Prüfstand zu stellen. „Generelles Eingestehen der Fehler -gerne auch von Ereignissen vor ihrer Amtszeit - aber an den wesentlichen Punkten kein Einsehen. Mit der Taktik wird es in den kommenden Monaten schwer für die Ministerin“, sagte er dem Tagesspiegel. „Man kann die Probleme nicht immer nur weglächeln.“

Der sicherheitspolitische Sprecher der Links-Fraktion, Matthias Höhn, beklagte, die Kostenexplosion könne den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern nicht mehr länger zugemutet werden. „Was sich jetzt stellt, ist die Frage der politischen Verantwortung: Diese trägt die Ministerin. Die Gorch Fock gehört in den Museumshafen, die Ministerin in den Ruhestand.“

Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, kritisierte, von der Leyen habe erhebliche eigene Fehler gemacht – und könne sich nicht nur als Opfer der kriminellen Machenschaften einer Werft inszenieren. „Bei einem Projekt, dessen Kosten wie wenig andere aus dem Ruder laufen, ist es ein besonders schwerwiegendes Eingeständnis der Bundeswehr, dass bei der Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nachgearbeitet werden muss.“

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