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Politik: Greenpeace: Aktions-Konzern

Wer die öffentliche Meinung bestimmen will, der muss die Bilder beherrschen. Blutige Robbenbabys, tapfere Motorbootfahrer vor Walfang-Harpunen, Kletterer am Giftschlot - das sind die Waffen einer Öffentlichkeitsstrategie, die Greenpeace nicht erfunden, aber stets brillant für seine Zwecke instrumentalisiert hat.

Wer die öffentliche Meinung bestimmen will, der muss die Bilder beherrschen. Blutige Robbenbabys, tapfere Motorbootfahrer vor Walfang-Harpunen, Kletterer am Giftschlot - das sind die Waffen einer Öffentlichkeitsstrategie, die Greenpeace nicht erfunden, aber stets brillant für seine Zwecke instrumentalisiert hat. Bilder lügen nicht, heißt es, und deshalb ist Greenpeace in den knapp drei Jahrzehnten seiner Existenz zu einer Organisation geworden, deren Glaubwürdigkeit in allen Umfragen die Vergleichszahlen jeder politischen Organisation weit distanziert.

Und was für Greenpeace weltweit gilt, das gilt in besonderem Maße für das deutsche Länderbüro. Heute vor zwanzig Jahren hat es seine Arbeit mit einem Paukenschlag aufgenommen. Der Anlass der öffentlichkeitswirksamen Aktion vom 13. Oktober 1980 ist noch heute sprichwörtlich: Die Schlauchboote der ersten Aktivisten blockierten den Frachter Kronos, der sogenannte Dünnsäure in die Nordsee "verklappen" sollte. Ein Jahr später wurde ein Schornstein des Hamburger Chemiewerks Boehringer besetzt, man flog mit einem Heißluftballon in die DDR und ließ sich immer wieder mit großen Plakaten ganz oben fotografieren, auf Abgasschloten und einem Kran der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. Greenpeace hat viel bewegt seitdem, viel Erfolg gehabt und das Umweltbewusstsein der Deutschen weit voran gebracht.

Aus dem spontanen Zusammenschluss enthusiastischer Umweltkämpfer, denen die Arbeit der Bürgerinitiativen zu schlapp war, wurde allmählich ein respektabler Konzern. Doch der hat nur ein einziges Produkt im Programm, nämlich spektakuläre Aktionen. Und darin liegt sein Problem. Denn ohne Aktionen keine Medienresonanz, ohne Medienresonanz keine Spenden, keine neuen Mitglieder - und noch weniger Aktionen. Also wurden Angriffsziele nicht nach ökologischem Gefahrenpotential ausgewählt, sondern so, wie es Kampagnenleiter Ulrich Jürgens anhand der "Brent Spar" erläuterte: "Da ist alles dran, die visuelle Dimension, der Symbolgehalt, ein mächtiger Gegner".

Aber die Brent Spar war eben nicht der Umweltskandal, Greenpeace musste sich bei Shell für weit überzogene Horror-Szenarien entschuldigen, und das macht der Organisation immer noch zu schaffen, gerade im deutschen Büro, dem aktivsten weltweit. Wie die Deutschland-Chefin Brigitte Behrens einräumt, ist die Zahl der Fördermitglieder im vergangenen Jahr um 20 000 auf 510 000 gesunken, das Spendenaufkommen entsprechend von 68,7 Millionen Mark 1998 auf 62,7 Millionen im Jahr 1999. Selbst die Journalisten, die immer wieder den guten Zweck als Legitimation nahmen und jeglicher Aktion bereitwillig als Lautsprecher dienten, vorzugsweise vorn auf den Wellenkämmen, werden allmählich skeptisch.

Greenpeace muss also mit einem deutlichen Imageverfall leben, der aber nur zum Teil auf die gezinkten Karten der Brent-Spar-Affäre zurückgeht. Denn was kam danach? Die komplexen Fragen der Gentechnik eignen sich kaum zur bildwirksamen Aufbereitung, die Castor-Transporte erregen nur noch wenige Alarmisten rechts und links der Gleise, auch wenn gerade gestern wieder drei Greenpeace-Leute in Biblis verletzt wurden. So müssen Themen oft aus fernen Regionen herbeigequält werden wie der ölige Sand, der kürzlich im Foyer der Elf-Deutschlandzentrale abgekippt wurde, um die angebliche Mitverantwortung des Konzerns für undichte russische Pipelines zu veranschaulichen. Ja, und?

Aktionen wie diese wirken häufig wie Beschwörungen eines fernen Zeitalters, als lärmender Aktionismus der einzige Weg zur Rettung der Umwelt zu sein schien. Die Greenpeace-Erfolge beruhten darauf, dass man eine Lücke füllte, die die Politik gelassen hatte: Wenn Regierungen populistisch reagieren statt nüchtern zu agieren, lassen sie außerparlamentarischen Gruppen viel Raum für eigene Aktion. Diese Gruppen sorgten dafür, dass in scheinbar festgefahrenen Situationen tatsächlich etwas geschah, dass Minister wankten und Konzernvorstände stotterten. Doch die Politiker haben davon gelernt: Sie polarisieren die öffentliche Meinung gleich selbst, um sich dann als Vermittler jener Konflikte anzubieten, die sie selbst geschaffen haben. In den Konzernen geben Umweltbeauftragte den Ton an, und der deutsche Umweltminister ist als Grüner ein schweres Ziel. Und es werden Fragen laut nach der demokratischen Legitimation und, gegebenenfalls, der Schadensersatzpflicht von Gruppen, die für sich in Anspruch nehmen, die Belange der Menschheit insgesamt zu vertreten.

Überdies ist grüne Fundamentalopposition leichter glaubwürdig zu vertreten als ein Kurs konstruktiven Handelns. Greenpeace geriet deshalb mit seinem demonstrativ selbst entwickelten Drei-Liter-Auto auf Renault-Basis in größte Probleme: Den eigenen Hardlinern galt es als Verrat und Kniefall vor der Autolobby; heute fragen sich Realisten umgekehrt, ob es nicht sinnvoller wäre, statt des nie zur Serienreife gelangten Renault lieber den höchst realen Öko-Lupo von VW zu unterstützen. Doch das können sich die kühlen Rechner um Greenpeace-Chef Thilo Bode noch längst nicht erlauben.

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