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© AFP

Griechenland: Grüne Sonne

Wahlsieger Papandreou will die Laune der Griechen heben – und muss ihnen Einschnitte zumuten.

Als Kostas Karamanlis am Sonntagabend um 18.45 Uhr das Hauptquartier seiner Nea Dimokratia (ND) an der Athener Rigilis-Straße betritt, weiß er mehr als die Griechen, die noch ungeduldig vor den Fernsehern der ersten Prognose entgegenfiebern. Noch ist es eine Viertelstunde bis zur Schließung der Wahllokale, aber Karamanlis kennt das Ergebnis der Wählerbefragung bereits. Die Niederlage ist an seinem versteinerten Gesicht abzulesen. 33,5 Prozent Stimmenanteil – das schlechteste Ergebnis in der 35-jährigen Geschichte der Partei.

Dabei hatte Karamanlis mit großem Einsatz gekämpft. In der Schlussphase des Wahlkampfs absolvierte er täglich mehrere Kundgebungen. „Ganz Griechenland ist blau“, riefen die Karamanlis-Anhänger bei diesen Versammlungen – Blau ist die Parteifarbe der ND. Aber am Montag ging die grüne Sonne, das Symbol der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), über Griechenland auf. Die politische Landschaft hat sich radikal verändert. Sechs Prozentpunkte Vorsprung für die Pasok hatten die Meinungsforscher in den letzten Erhebungen ermittelt. Tatsächlich beträgt der Abstand mehr als zehn Punkte. Mit 43,9 Prozent erzielte die Pasok das beste Ergebnis seit 16 Jahren. 160 der 300 Mandate hat die Partei im neuen Parlament – eine klare absolute Mehrheit.

Der Vorsitzende der Sozialisten, Giorgos Papandreou, strahlt. „Giorgos’ Triumph“, titelte die Zeitung „Eleftherotypia“, einen „historischen Sieg“ meldete das Blatt „Ta Nea“. Aber getrübt wird die Freude über den Sieg durch die Erkenntnis, dass er die Regierung in sehr schweren Zeiten übernimmt. Das Gespenst des Staatsbankrotts geht um in Griechenland. „Wir haben keinen Tag zu verlieren“, sagt Papandreou. Deshalb soll es jetzt schnell gehen: Am Montag erhielt der Wahlsieger von Staatspräsident Karolos Papoulias den Auftrag zur Regierungsbildung. Seine Mannschaft will Papandreou schon an diesem Dienstag vorstellen, am Mittwoch könnte das Kabinett vereidigt werden. Und bereits am Freitag werde Papandreou im Parlament seine Regierungserklärung abgeben, heißt es in der Umgebung des designierten Premiers. Dann wird man erste Hinweise darauf bekommen, wie er die Finanzmisere zu meistern gedenkt. Schon vor der Wahl hatte Papandreou angekündigt, er wolle überparteiliche Fachleute in sein Team holen. Das wäre ein positives Signal an die Finanzmärkte, von denen das extrem verschuldete Land in hohem Maße abhängig ist. Die Athener Börse reagierte am Montag bereits mit steigenden Kursen auf den Wahlsieg der Sozialisten. Und auch griechische Staatsanleihen konnten Kursgewinne verzeichnen. Das zeigt: Die Märkte trauen Papandreou offenbar zu, die Krise zu bewältigen.

Der Sozialist sieht sich allerdings nicht nur als Sparkommissar. „Ich will Griechenland sein Lächeln zurückgeben“, sagt Papandreou. Doch viel zu lachen gibt es in nächster Zeit für die Griechen wohl nicht. Papandreou versprach zwar im Wahlkampf großzügige Sozialleistungen. Aber dafür hat er angesichts der leeren Staatskassen wenig Spielraum. Und die Besserverdiener müssen sich ohnehin auf höhere Steuern einstellen. „Viel harte Arbeit“ komme auf die Regierung zu, sagte Papandreou und versprach, er werde „dem griechischen Volk immer reinen Wein einschenken“. Das muss er wohl schon in den nächsten Tagen. Denn bereits in drei Wochen erwartet die EU-Kommission von der neuen Regierung ein Konzept zur Haushaltskonsolidierung.

Aber nicht nur die Wirtschaftskrise lastet auf der Stimmung im Land. Auch das Vertrauen der Griechen in Politiker, Parteien und Institutionen ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Schon Karamanlis versprach, Korruption und Vetternwirtschaft auszumerzen, scheiterte damit aber kläglich. Jetzt will Papandreou mit einem neuen Wahlrecht und strikteren Regeln für die Parteienfinanzierung mehr Transparenz schaffen. Papandreou will auch die konservative Opposition für diese Pläne gewinnen.

Die ist allerdings zunächst mit sich selbst beschäftigt. „Kopf hoch“, versuchte die konservative Zeitung „Adesmevtos Typos“ am Montag die Anhänger der Partei zu ermutigen. Aber der Schock über die in dieser Höhe von niemandem erwartete Niederlage sitzt tief. In der ND-Zentrale an der Rigilis-Straße floss am Sonntagabend so manche Träne. Die konservative Parlamentsfraktion wurde von 151 auf 91 Mitglieder dezimiert. Noch in der Nacht zum Montag übernahm Karamanlis die Verantwortung für die Niederlage und berief einen Sonderparteitag ein, der in vier Wochen einen neuen Parteivorsitzenden wählen soll. Karamanlis selbst will nicht mehr kandidieren.

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