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Im südargentinischen Ushuaia steht dieses Denkmal, das die Falklandinseln zeigt und die Argentinier an ihre Ansprüche auf die Inselgruppe erinnern soll.

© dpa

Großbritannien, Argentinien und Russland: Neuer Streit um die Falklandinseln

Die Falklandinseln sind seit Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen Großbritannien und Argentinien. Es geht um Besitzansprüche, Bodenschätze und militärische Präsenz. Jetzt mischt sich Russland in den Konflikt ein.

Das Mantra, von innenpolitischen Schwierigkeiten durch forsche Außenpolitik abzulenken, ist seit der Antike bei Politikern beliebt. In jüngster Zeit kann man das Phänomen in Argentinien, Großbritannien und Russland beobachten. Die gemeinsame außenpolitische Bühne sind die Falklandinseln.

Vor genau 33 Jahren besetzte Argentinien die Islas Malvinas genannten Inseln im Südatlantik, 400 Kilometer vor dem südamerikanischen Festland. Großbritannien, dass die Inseln seit 1833 beansprucht, reagierte und eroberte die Inseln bis Ende Juni 1982 zurück. Schon damals spielten innenpolitische Verwerfungen in den beteiligten Staaten eine Rolle: "Die Militärjunta hat den Konflikt angeheizt, um von inneren Konflikten abzulenken und ihre Macht zu erhalten", sagt etwa die argentinische Botschafterin in Großbritannien, Alicia Castro, dem Radiosender Radio del Plata. Damals ging die Rechnung allerdings nicht auf: Der Falklandkrieg gilt als Anfang vom Ende der Militärjunta ein Jahr später.

Die Eiserne Lady profitierte

Die britische Premierministerin schlechthin, Margret Thatcher, hat der Konflikt damals hingegen mehr genutzt als geschadet: Sie zeigte Stärke und manifestierte mit dem Erhalt der Falklands im Empire den Anspruch des Inselstaats auf das "Groß-" im Namen. Gleichzeitig sind sich Historiker einig, dass ihr dieser außenpolitische Erfolg gegen großen Widerstand den Wahlsieg 1983 sicherte.

Im Mai wird in Großbritannien wieder gewählt, laut Umfragen zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Herausforderer der Labour-Partei Ed Miliband und dem Torie-Amtsinhaber David Cameron ab. Ein außenpolitisches Signal der Stärke passt dem Konservativen sicher gut in den Wahlkampf: Man habe einen konkreten Anlass zur Sorge, sagte der Verteidigungsminister Camerons, Michael Fallon, der BBC und kündigte vor dem britischen Unterhaus eine Aufstockung der Militärpräsenz im Südatlantik an. Das Boulevardblatt "Sun" spekulierte gar über einen etwaigen Invasionsplan der Argentinier. Für insgesamt rund 245 Millionen Euro sollen alle drei britischen Teilstreitkräfte auf den Falklands aufgerüstet werden, unter anderem mit zwei neuen Großhubschraubern vom Typ Chinook. Momentan sind einige hundert britische Soldaten, zahlreiche moderne Schiffe und vier Eurofighter auf der Inselgruppe stationiert.

Der Plan Camerons könnte aber auch scheitern: Im Zuge der Wirtschaftskrise stehen die hohen Militärausgaben Großbritanniens, an dem die Falkland-Präsenz mit rund 300 Millionen Euro jährlich beteiligt ist, zur Disposition. Gleichzeitig wird der Konflikt durch im Südatlantik gefundene Ölvorkommen weiter angefacht. Ohne die Falklandinseln sind die Ansprüche darauf wiederum schwer durchzusetzen. Aus dieser schwierigen Sachlage zwischen sich abzeichnenden wirtschaftlichen Profitmöglichkeiten, außenpolitischen Verwerfungen und hohen Militärausgaben möchte David Cameron Kapital schlagen.

Ablenkung von Kirchners Problemen

Auch der argentinischen Präsidentin Christina Fernández de Kirchner kommt der Konflikt nicht ungelegen, folgt man dem Mantra der Verquickung von Innen- und Außenpolitik. Immer wieder wurden während ihrer Amtszeit Korruptionsvorwürfe laut: Sie folgte ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Nestór Kirchner in das Präsidentenamt, zwei Jahre später wurde eine exorbitante Steigerung des Vermögens der Kirchners bekannt, ein diesbezügliches Verfahren aber bald darauf eingestellt.

Seit Januar 2015 ist die langjährige Präsidentin erneut in den Schlagzeilen: Ein Staatsanwalt, der eine Anklage gegen Kirchner vorbereitete, starb unter mysteriösen Umständen in Buenos Aires. Seitdem hat sich eine veritable Staatsaffäre samt Geheimdienstverwicklungen entwickelt, aus der Kirchner vorerst wohl unbescholten herausgeht. Die unliebsame Berichterstattung darüber ließe sich mit einer Zuspitzung der Situation um die Inselgruppe vor Feuerland überlagern. Bereits in den vergangenen Jahren hatte Kirchner immer wieder mit Aussagen über die Falklandinseln polarisiert.

Putin tritt auf den Plan

Der Konflikt zwischen Briten und Argentiniern schwelt so bereits seit Jahrzehnten. Jetzt aber hat ein dritter Spieler das Parkett betreten: Seit den ernsten Verwerfungen mit der Europäischen Union und den USA sucht Wladimir Putins Russland wieder verstärkt nach Alliierten. In Argentinien scheint der starke Mann im Kreml einen möglichen Verbündeten gefunden zu haben. Die argentinische Präsidentin Kirchner ist ohnehin russlandfreundlich: Als eine der wenigen Staatschefs weltweit hatte sie die Annexion der Krim durch die Russische Föderation vor etwa einem Jahr verteidigt. Kirchner war via Twitter auch eine der lautesten Protestierenden, nachdem das Flugzeug des bolivianischen Regierungschefs Evo Morales im Zuge der Affäre um den Whistleblower Edward Snowden aus Russland kommend durch die USA zur Landung in Österreich gezwungen worden war.

In der vergangenen Woche wurde nun bekannt, dass Russland zwölf Kampfflugzeuge zur Modernisierung der argentinischen Streitkräfte im Tausch gegen Rindfleisch und Getreide liefert. Güter, die bisher Bestand der Handelsbeziehungen zwischen der EU und Russland waren. Auch mit China laufen Verhandlungen über die Lieferung von Kampfjets. Argentinien hatte zunächst jedoch mit den Europäern über neue Jets verhandeln wollen und sich erst nach dem Nein Großbritanniens an China und Russland gewandt. Seit den Wirtschaftssanktionen des Westen kämpft die russische Regierung in Moskau gegen einen Wertverfall des Rubels und steigende Preise im Land. Außerdem möchte Putin seine hohen Zufriedenheitsraten, die ihm das starke Auftreten Russlands im vergangenen Jahr bescherte, kaum wieder verspielen.

Russland an der Seite Argentiniens

Gleichzeitig sucht Moskau den symbolischen Schulterschluss mit Argentinien: Man habe bessere Ansprüche auf die Krim als die Briten auf die Falklandinseln, ließen sich russische Regierungskreise von der Deutschen Presse-Agentur dpa zitieren. Vergleiche mit der Krim-Krise nährt auch ein 2013 abgehaltenes Votum unter den rund 3000 Bewohnern des britischen Überseegebiets. Die Inselbewohner sprachen sich im März 2013 zu über 99% für einen Verbleib bei Großbritannien aus. Argentinien erkennt das Votum allerdings nicht an. Im Vorlauf hatte Kirchner Cameron in einem offenen Brief zur Rückgabe des Archipels aufgefordert, was Cameron mit Hinweis auf das dann eindeutig ausgefallene Referendum jedoch verneinte.

Die jüngsten britischen Vorwürfe dementierte indes die argentinische Regierung. Die Botschafterin betonte, Großbritannien habe vom heutigen demokratischen Argentinien nichts zu befürchten. Gleichzeitig hält das zweitgrößte Land Südamerikas an seinem grundsätzlichen Anspruch auf die Inseln fest. Unterfüttert wurde diese Politik bisher jedoch nur symbolisch: Etwa durch das Ausrollen eines Banners mit der Aussage "Die Malwinen sind argentinisch" vor einem Freundschaftsspiel der argentinischen Nationalmannschaft oder durch die Vorstellung eines neuen Geldscheins, der die Inselgruppe als Teil Argentiniens darstellt. Experten bezweifeln, dass das wirtschaftlich stark angeschlagene Argentinien eine handfeste Auseinandersetzung mit Großbritannien finanzieren könnte.

Dennoch twitterte Präsidentin Kirchner: "Es ist absolut ungerechtfertigt, mit dem Gespenst einer möglichen 'argentinischen Bedrohung' die Erhöhung von Militärausgaben zu rechtfertigen und die wachsende Militarisierung der Inseln festzuschreiben."

Leon Tilly

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