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Politik: Große Wachablösung

Die US-Soldaten im Irak werden ersetzt – die schwierigste Operation dieser Art in der amerikanischen Geschichte

Was ist verdächtig? Ein Tierkadaver am Straßenrand etwa, oder herumliegende Plastikflaschen. Wer ist verdächtig? Die Attentäter könnten eine Krankheit vortäuschen oder einen Autounfall. Selbstmordattentäter wiederum sind bisweilen an ihrem Gang zu erkennen, der Sprengstoff, den sie tragen, wiegt bis zu 30 Kilogramm. Und noch etwas: Wenn ein US-Soldat mit einem irakischen Zivilisten spricht, darf er keine Sonnenbrille tragen. Das gebietet der Respekt.

All diese Dinge hat man ihnen in den vergangenen Wochen beigebracht. Jetzt wissen sie, wie man „IEDs“ erkennt, das Kürzel steht für „improvised explosive devices“ (improvisierte Sprengkörper). Sie können ein paar Brocken Arabisch. Viele haben eine Extra-Ausbildung zum Scharfschützen hinter sich. Mehr als 110 000 „frische“ US-Soldaten sind in diesen Wochen unterwegs in den Irak. Dort werden sie eine Zeit lang mit den erfahrenen Kräften zusammen ihren Dienst verrichten. Sie werden mit den Besonderheiten ihrer Umgebung vertraut gemacht, dem Gelände, der Kultur. Dann ziehen etwa 123 000 „alte“ GIs ab. Zusätzlich werden 11 000 US-Soldaten in Afghanistan ausgetauscht. Anfang Mai soll die Rotation abgeschlossen sein. Innerhalb von vier Monaten soll rund eine Viertel Million Soldaten verlegt werden. US-Generalstabschef Richard Myers nennt das „die größte logistische Leistung der amerikanischen Geschichte“.

Auch das Gerät wird gewechselt. Die Zahl der schweren „Abrams-Panzer" und anderer Kampffahrzeuge wird reduziert. Stattdessen sollen besonders gesicherte leichtere „Humvees“ eingesetzt werden. Aus Deutschland rückt die „1st Infantry Division“ in den Irak aus, die „1st Armored Division“ kehrt zurück.

Die größte Sorge bereitet dem Pentagon das zusätzliche Sicherheitsrisiko. „Die Soldaten sind auf der Straße, in der Luft, insgesamt werden sich mehr Soldaten in ungeschützten Gebieten befinden als je zuvor seit dem Ende des Krieges“, sagt Militärexperte Loren Thompson vom Lexington-Institut. Das könnte von Rebellen und Terroristen ausgenutzt werden. Besonders gefährdet sind startende und landende Transportflugzeuge. Auch Myers und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld warnen vor „Turbulenzen“. „Bei einem solchen Austausch gibt es zwangsläufig einen Verlust an Wachsamkeit, einen Verlust an Zusammenarbeit, an Erfahrungsreichtum", sagt Rumsfeld.

An der Heimatfront wird immer lauter gemurrt. Fast täglich sterben im Irak US-Soldaten. Rekruten sind schwer zu finden. Am Donnerstag kamen neun Soldaten bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. Ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelte, war zunächst nicht klar.

Die Personaldecke ist dünn. Knapp eine halbe Million Frauen und Männer dienen in der Armee. Davon sind 362 000 außerhalb der USA im Einsatz. Allein die im Irak operierende Truppe kostet monatlich vier Milliarden Dollar. Mehrfach hat das Pentagon für viele im Irak stationierte Soldaten eine Dienstverlängerung verfügt. In der Regel muss jeder von ihnen ein Jahr dort bleiben. Jetzt sollen denen, die sich länger verpflichten, bis zu 10 000 Dollar „Belohnung“ gezahlt werden. Jeder wird gebraucht.

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