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CDU-Chef Friedrich Merz (l.)und Lars Klingbeil, Fraktionsvorsitzender der SPD und Bundesvorsitzender.

© dpa/Kay Nietfeld

Großes Sondervermögen, großes Risiko: Mehr Geld allein wird Deutschlands Probleme nicht lösen

Union und SPD wollen mit Hunderten Milliarden das Land und die Bundeswehr auf Vordermann bringen. Das ist gefährlich. Denn es könnte dazu verleiten, wichtige Reformen wieder einmal aufzuschieben.

Dennis Pohl
Ein Kommentar von Dennis Pohl

Stand:

Die Diagnose kann man eigentlich nur unterschreiben: In Deutschland und der Welt sei die Lage dermaßen ernst, sagte Friedrich Merz am Dienstag in Berlin sinngemäß, dass nur noch die große Kelle helfe.

Diese soll nun umfassen: 500 Milliarden Euro für die marode Infrastruktur, mehr finanziellen Spielraum für die Länder und einen Finanztopf ohne Boden für die Aufrüstung der Bundeswehr. Alles schuldenfinanziert. Oder in Merz’ Worten: „Whatever it takes“.

Damit hat Merz recht – einerseits. Denn Fakt ist, dass Deutschland vor den wohl größten Herausforderungen seit der Wiedervereinigung steht. Einerseits mit Blick auf das bröckelnde transatlantische Bündnis und die eigene Verteidigung.

Aber auch im Inland ist die Lage dramatisch. Deutschland befindet sich derzeit im vierten Jahr ohne Wirtschaftswachstum in Folge, ein Novum in der Nachkriegszeit. Es muss also dringend etwas passieren.

Dennoch ist das Vorgehen von Union und SPD riskant für das Land. Denn Deutschlands Probleme sind nicht allein mit mehr Geld zu lösen.

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Vielmehr könnte ob der geplanten finanziellen Beinfreiheit die Versuchung groß sein, dringend nötige Reformen erneut auf die lange Bank zu schieben. Und somit die eigentlichen Probleme für künftige Generationen liegenzulassen. Denn ein Pflaster, egal wie groß es ist, hilft bei einem gebrochenen Bein herzlich wenig.

Deutschland leidet nämlich nicht an einer konjunkturellen Krise, die sich einfach mit Finanzspritzen lösen ließe, sondern an einer strukturellen. Und diese wird in allen Teilbereichen offenbar, die für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum wichtig sind.

146
Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung kostet übermäßige Bürokratie das Land im Jahr

Erstens bei der Infrastruktur: Die Substanz des Landes wurde über Jahrzehnte sträflich vernachlässigt. Heute bräuchte sie laut dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 600 Milliarden Euro an Investitionen, um überhaupt funktionstüchtig zu bleiben.

Das heißt: Wenn das nun geplante Sondervermögen verbaut ist, geht die Arbeit schon wieder von vorne los. Mit einem einmaligen Kraftakt ist es also nicht getan, vielmehr braucht es eine Verstetigung der Investitionen.

Das Amt als Partner

Zweitens erstickt Deutschland an Regulierungen. Laut Berechnungen des Ifo-Instituts kostet übermäßige Bürokratie das Land 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung – pro Jahr. Die Belastung durch undurchsichtige Verordnungen ist heute so hoch, dass sie die Rendite von Unternehmen schrumpfen lässt und diese sich teils entscheiden, lieber im Ausland zu investieren.

Drittens sind die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland nicht dauerhaft tragfähig. Die Arbeitskosten sind hierzulande höher als in den allermeisten EU-Staaten, während gleichzeitig das Arbeitsvolumen und damit die Effizienz immer mehr sinkt.

Am deutlichsten wird diese Schieflage bei der Rente, bei der abzusehen ist, dass der Eintritt der Babyboomer das bisherige System zum Kollaps bringen wird. Bei der Einführung der umlagefinanzierten Rente kamen noch sechs Beschäftigte für einen Rentner auf, heute sind es zwei.

Eine schrittweise Anpassung des Eintrittsalters an die steigende Lebenserwartung hatte die Union im vergangenen Jahr in ihr Grundsatzprogramm geschrieben. Merz räumte diese Idee aber wenig später wieder ab.

Ignoranz ist gefährlich

Es ist politisch nachvollziehbar, diese Probleme nicht allzu offen ansprechen zu wollen. Schließlich wäre ihre Lösung mit teils erheblichen Zumutungen verbunden. Und niemand ist gerne der Überbringer schlechter Nachrichten, schon gar nicht in gesellschaftlich unruhigen Zeiten.

Aber es wäre gefährlich, nun zu versuchen, sie mit schuldenfinanzierten Milliarden zu kitten. Denn letztlich lässt sich heute beobachten, was passiert, wenn man zwingende Reformen allzu lange ignoriert.

Besonders zu Zeiten der großen Koalition unter der Kanzlerin Angela Merkel wurden schon damals dringliche Weichenstellungen zugunsten einer möglichst geräuschlosen Politik zurückgestellt.

Das war zwar lange Zeit politisch erfolgreich. Aber schon wenige Jahre später ist das Land in einer Lage, in der sogar fraglich ist, ob eine gigantische Finanzspritze überhaupt noch helfen kann.

Für die Glaubwürdigkeit der neuen Regierung wird es deshalb entscheidend sein, dass sie auch die strukturellen Probleme des Landes angeht. Sonst könnten auch diese 500 Milliarden Euro schnell verpuffen.

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