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Der Kieler Umweltminister Robert Habeck ist seit Ende Januar 2018 Bundesvorsitzender der Grünen

© dpa/Fenja Hardel

Grünen-Chef Habeck im Interview: "Die Grünen dürfen sich nicht auf eine ökologische Nischenrolle zurückziehen"

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck über die Abwahl des grünen Oberbürgermeisters in Freiburg, das Öko-Profil seiner Partei und den Zusammenhalt der Gesellschaft

In Freiburg ist am Sonntag der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon klar abgewählt worden. Ein schlechtes Omen für die Grünen im Südwesten?

Vor ein paar Wochen erst ist mit Stefan Belz ein Grüner in Böblingen zum Bürgermeister gewählt worden. Winfried Kretschmann ist der beliebteste Ministerpräsident in Deutschland. Insofern muss man die Kirche im Dorf lassen. Nach 16 Jahren Amtszeit ist es schwer, eine Wiederwahl zu gewinnen, egal von welcher Partei jemand kommt. Da muss es schon eine historisch besondere Situation geben, damit die Leute sagen, wir wollen jemanden für 24 Jahre im Amt haben. Es ist Dieter Salomon nicht gelungen, diese Begründung zu liefern, auch wenn er Herausragendes für die Stadt geleistet hat.

Sie sehen in dem Ergebnis kein Warnsignal für Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und seine kriselnde grün-schwarze Koalition?

Die Koalition in Baden-Württemberg ist auf rauer See. Das liegt aber in erster Linie daran, dass die CDU eine im Koalitionsvertrag verabredete Wahlrechtsreform hat scheitern lassen, die auf einen höheren Frauenanteil in den Parlamenten abzielt. Winfried Kretschmann geht verantwortungsvoll mit dieser Situation um.

Zeigt sich im Moment, dass Kretschmanns konservativer Kurs riskant ist?

Einem Urgrünen wie Winfried Kretschmann zu unterstellen, er wäre nur auf dem konservativen Trichter unterwegs, ist völlig falsch. Bei der letzten Wahl wollte er explizit Grün-Rot fortsetzen. Das Wahlergebnis war ein anderes. Es ist immer die Kombination aus Veränderungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein, die Grüne erfolgreich gemacht hat. Die hat uns übrigens an diesem Wochenende bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein hervorragende Ergebnisse beschert.

Was ist denn am Sonntag in Flensburg anders gelaufen als in Freiburg?

In Schleswig-Holstein haben wir das beste Ergebnis erzielt, das wir je in einem Flächenland hatten – abgesehen von Baden-Württemberg, wo die Grünen traditionell stark verankert sind. Wir versuchen im Norden seit langem, unsere Projekte wie die Energiewende oder eine andere Landwirtschaftspolitik ambitioniert voranzutreiben, aber dabei immer die Mitte der Gesellschaft zu adressieren. Grüne Politik macht aus, dass sie klar für Veränderungen eintritt und gleichzeitig erklärt, dass sie die Gesellschaft stabilisiert. Veränderungen sind kein Selbstzweck.

Manche Parteifreunde werfen Salomon vor, er habe in Freiburg zu stark auf Ökologie gesetzt und das Thema Gerechtigkeit vernachlässigt. Ist da etwas dran?

Dieser Vorwurf speist sich immer noch aus dem Jahr 2010, als Salomon städtische Wohnungen verkaufen wollte. Seitdem wird ihm dieses Image angeklebt. Ich glaube aber nicht, dass das nun zu seiner Abwahl geführt hat. Vor acht Jahren ist Salomon im ersten Wahlgang mit 50 Prozent wiedergewählt worden. Schon damals hat er den Vorwurf widerlegt, er sei sozialpolitisch blind.

Ihre Co-Vorsitzende Annalena Baerbock und Sie setzen seit Amtsantritt stark auf soziale Themen. Gibt es da bei den Grünen ein Defizit?

Wir müssen in Zeiten, in denen sich die Arbeitswelt so stark verändert, auch die soziale Frage wieder neu stellen. Die Grünen dürfen sich nicht auf eine ökologische Nischenrolle zurückziehen, so wichtig das Thema für uns ist. Sozialer Zusammenhalt und neue Garantiesysteme – diese Fragen wollen wir als Grünen-Vorsitzende voranbringen.

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