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Der Angriff auf die Geburtsklinik in Mariupol wurde zum Symbol für die Absicht Russlands, die Bürger und die zivile Infrastruktur zu vernichten.

© dpa/AP/Evgeniy Maloletka

Gutachten des Rechtswissenschaftlers Luchterhandt: „Russland begeht in Mariupol Völkermord“

Das militärische Vorgehen erfüllt die Kriterien der Vereinten Nationen für Genozid, sagt ein Gutachter. Putin gehöre „vor den Internationalen Strafgerichtshof“.

Die russische Armee begeht mit der Art ihrer Kriegsführung gegen die Hafenstadt Mariupol in der Ostukraine Völkermord. Zu dieser Bewertung kommt der international angesehene Rechtswissenschaftler Otto Luchterhandt in einem Gutachten, das dem „Tagesspiegel“ vorliegt.

Russlands Präsident Wladimir Putin, Verteidigungsminister Sergej Schojgu und der Chef des Generalstabs, Walerij Gerassimow, „gehören vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag“, fordert der langjährige Hamburger Professor.

„Sie sind Täter“ nach den Vorgaben des Internationalen Strafgerichtshofs für die Verantwortung bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eines Angriffskriegs, „aber auch des schwersten Verbrechens, welches das Völkerstrafrecht seit 1948 kennt – des Völkermords“.

Luchterhandt urteilt an Hand von sechs Kriterien der Antivölkermordkonvention der Vereinten Nationen: Mit dem Vorgehen zur Einkesselung und Zerstörung der ukrainischen Großstadt „ist der objektive Tatbestand des Völkermordverbrechens von Seiten der Streitkräfte Russlands erfüllt“.

"Genozidale Zerstörungsabsicht gegen die gesamte Bürgerschaft"

Auch der „subjektive Tatbestand“, die Absicht, eine Bevölkerungsgruppe zu vernichten, sieht der Jurist als bewiesen an. Die russische Armee gehe mit „genozidaler Zerstörungsabsicht“ gegen „die Bürgerschaft der Stadt in ihrer Gesamtheit“ vor und nicht nur gegen einzelne Bürger, die zufällig Opfer werden.

Der Nachweis der Absicht eines Völkermords „galt lange Zeit als Achillesferse“ in der Praxis der Rechtsprechung, merkt er an. Die internationale Rechtsprechung zu den ethnischen Säuberungen im Bosnienkrieg habe die juristischen Kriterien für den Beweis des Vorsatzes konkretisiert.

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Sie treffen auf die Situation in Mariupol zu. „Die Lage der im zerstörten, winterlichen Mariupol eingeschlossenen, von der Versorgung mit lebenswichtigen, existenzsichernden Gütern abgeschnittenen, ohne Elektrizität, Wasser und Heizung provisorisch in Kellern von Ruinen dahinvegetierenden und seit Wochen ständigem Beschuss ausgesetzten Bürgerinnen und Bürger ist nach allen aus der Stadt nach draußen dringenden Nachrichten die sprichwörtliche ,Hölle‘.“

Luchterhandt lehrte Öffentliches Recht an der Universität Hamburg und leitete die Abteilung für Ostrechtforschung. Das komplette Dokument können Sie hier als PDF herunterladen.

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