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Luftdrehkreuze, wie hier in Leipzig/Halle, wären von einem "harten Brexit" besonders betroffen.

© dpa

Harter Brexit: Wie der Zoll für den Ernstfall plant

Im schlimmsten Fall drohen Ende 2020 strikte Zollkontrollen zwischen Großbritannien und der EU. Der Zoll ist darauf vorbereitet.

Es ist ein Szenario, das die Wirtschaft beunruhigt und die Verhandler in London und Brüssel unter Druck setzen wird: Ende dieses Jahres könnte es zu einem harten Bruch zwischen der EU und Großbritannien kommen. Falls es der EU und dem Vereinigten Königreich bis Ende 2020 nicht gelingen sollte, ein Abkommen über ihre künftigen Wirtschaftsbeziehungen zu schließen und falls keine Fristverlängerung vereinbart wird, dann drohen Zollkontrollen zwischen beiden Seiten. Beim deutschen Zoll ist man auf diesen Ernstfall bereits seit einiger Zeit eingestellt. Nach den Angaben eines Sprechers des Bundesfinanzministeriums würde die Rückkehr zu Zöllen, Zollförmlichkeiten und -kontrollen „den Handelsverkehr mit Großbritannien erheblich erschweren“. Der Zoll sei aber auf dieses Szenario „gut vorbereitet“.

Für den deutschen Zoll ist es in gewisser Weise ein Vorteil, dass die Diskussion um einen möglichen „harten Brexit“ bereits in den vergangenen Jahren intensiv geführt wurde. Zweimal galt es 2019 als durchaus denkbar, dass die EU und Großbritannien in einen No-Deal-Brexit schliddern: im Frühjahr und dann wieder Ende Oktober. Am Ende kam dann doch ein Scheidungsvertrag inklusive Nordirland-Regelung zwischen beiden Seiten zu Stande, der ein geregeltes Ausscheiden Großbritanniens aus der EU am kommenden Wochenende möglich macht. Unklar bleibt aber weiterhin, ob und wie Brüssel und London die künftigen wirtschaftlichen Beziehungen regeln.

900 zusätzliche Stellen wurden beim Zoll geschaffen

In jedem Fall hat die monatelange Diskussion über einen möglichen No-Deal-Brexit in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der Zoll personell für ein mögliches Worst-Case-Szenario ausgerüstet wurde. Im Bundeshaushalt 2019 wurden für die Behörde 900 zusätzliche Stellen bewilligt.

Nach den Angaben des Sprechers des Finanzministeriums hat die Zollverwaltung unter anderem mit ihren Nachwuchskräften aus den Abschlussjahrgängen 2018 und 2019 zusätzliches Personal bereitgestellt. Vor allem den von einem „harten Brexit“ voraussichtlich am stärksten betroffenen internationalen Frachtflughäfen Leipzig/Halle, Frankfurt (Main), Köln und München sowie dem Seehafen Hamburg seien die 900 zusätzlichen Zollkräfte zugewiesen worden, so der Sprecher. Gäbe es kein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, würde das Arbeitsaufkommen sprunghaft ansteigen, weil das Vereinigte Königreich zum Drittland würde. Die Folge: Zollkontrollen für Waren, die von der Insel kommen, würden nötig. Auch Warensendungen nach Großbritannien müssten überprüft werden.

Online-Handel macht dem Zoll immer mehr Arbeit

Dass der „harte Brexit“ jetzt nicht kommt und statt dessen eine mindestens elfmonatige Übergangsphase abzuwarten ist, ändert nach den Worten von André Lenz nichts an den Einsatzorten der Zollbeamten, die wegen des Brexit zusätzlich eingestellt wurden. Der Sprecher bei der Generalzolldirektion in Bonn verweist darauf, dass an den großen Flughäfen, die von den Post- und Kurierdiensten genutzt werden, auch ohne einen „harten Brexit“ immer mehr Stichproben nötig werden – und zwar auf Grund des Online-Handels, welcher auch die EU-Außengrenzen überschreitet. Laut einer Schätzung der Post wurden allein in Frankfurt im vergangenen Jahr 100 Millionen Pakete aus Drittstaaten außerhalb der EU gezählt.

Warenströme könnten sich nach Deutschland verlagern

Aber auch für den Fall eines Handelsabkommens zwischen der EU und Großbritannien sieht Lenz bereits zusätzliche Arbeit auf den Zoll zukommen. Warenströme von außereuropäischen Importen, die bislang über Großbritannien in die EU gelangt sind, dürften sich nach seiner Einschätzung künftig in Richtung des Kontinents verlagern. „Da wird es mit Sicherheit Verschiebungen geben“, so Lenz.

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