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Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

© imago/epd/imago/Christian Ditsch

„Hier scheint Pistorius der Mut verlassen zu haben“: Union kritisiert Wehrdienst-Plan als „halbgaren Vorschlag“

5000 zusätzliche Wehrpflichtige will der Verteidigungsminister im Jahr 2025 gewinnen. Der CDU geht das nicht weit genug. Doch Pistorius sieht vorerst keinen Grund zur Eile.

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Unionsfraktionsvize Johann Wadephul hat das Modell von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für einen neuen Wehrdienst als eine politisch vertane Chance bezeichnet. Pistorius bleibe damit klar hinter eigenen Ankündigungen zurück, sagte Wadephul der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er kritisierte: „Statt eines großen Wurfes, eine Verpflichtung auch für Frauen im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht vorzuschlagen, macht er einen halbgaren Vorschlag, der die Personalprobleme der Bundeswehr nicht löst.“

Es sei falsch, wenn Pistorius behaupte, es fehle noch in dieser Wahlperiode an Zeit und an der notwendigen Gemeinsamkeit, das Grundgesetz zu ändern. Die Ampel-Regierung habe zusammen mit der CDU/CSU das Grundgesetz verändert, um das Sondervermögen für die Bundeswehr zu ermöglichen. Derzeit liefen auch Diskussionen, wie man gemeinsam das Grundgesetz ändern könne, um langfristig das Bundesverfassungsgericht abzusichern.

Es sei nicht nachvollziehbar, warum es nicht auch eine Übereinkunft zu Änderungen der Wehrverfassung oder im Artikel 12a des Grundgesetzes – dieser regelt den Wehrdienst für Männer – geben könne. „Hier scheint Pistorius eher der Mut verlassen zu haben und er hat vor der eigenen Partei kapituliert. Die CDU steht für solche Diskussionen dagegen weiterhin zur Verfügung“, sagte Wadepuhl.

Pistorius stellte Wehrpflicht-Modell am Mittwoch vor

Pistorius hatte sein Konzept am Mittwoch vorgestellt. Es soll Grundlage sein für eine schnelle Verstärkung der Bundeswehr im Verteidigungsfall. Aus dem Pool von 400.000 Kandidaten eines Jahrgangs sollen damit von 2025 an jährlich zunächst 5000 zusätzliche Wehrpflichtige, später auch mehr gewonnen werden. Das neue Modell soll aus einem Grundwehrdienst von sechs Monaten mit einer Option für einen zusätzlichen freiwilligen Wehrdienst von bis zu zusätzlichen 17 Monaten bestehen. Dazu wird eine verpflichtende Erfassung eingeführt, in der junge Männer ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu einem Wehrdienst benennen müssen - und junge Frauen dies tun können.

Der Minister verteidigte sein Vorgehen. In den ARD-„Tagesthemen“ und im ZDF-„heute journal“ sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend, für eine allgemeine Dienstpflicht wäre eine Grundgesetzänderung nötig und dies sei vor der Bundestagswahl 2025 nicht zu schaffen. „Wir müssen anfangen. Deswegen jetzt die Eile. Wir können nicht warten, bis wir eine Diskussion führen über eine allgemeine Dienstpflicht oder über die natürlich naheliegende Frage der Wehrpflicht von Frauen“, sagte Pistorius in den ARD-„Tagesthemen“. „Beides bedeutet eine Grundgesetzänderung. Beides dauert länger.“ Pistorius betonte, er habe keinen Hehl daraus gemacht, dass er eine Diskussion über eine allgemeine Wehrpflicht und auch über die Ausdehnung der Wehrpflicht auf Frauen für notwendig halte.

Und wir müssen leider bei Null anfangen.

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

Auf Forderungen nach weitergehenden Schritten entgegnete der Minister, das seien oft jene, die verantwortlich für die geschrumpften Kapazitäten bei Ausbildung und Kasernen seien. „Damit steigen wir jetzt wieder ein. Und wir müssen leider bei Null anfangen“, sagte Pistorius in der ARD. Die Wehrerfassung sei „komplett zerschlagen“ worden, beklagte der Minister im ZDF. Es gebe keine Kreiswehrersatzämter, keine Musterungsstrukturen, keine Ausbildungskapazitäten.

Der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels, nun Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, sagte zu dem Pistorius-Plan: „Die erkannten Probleme sind groß, die vorgeschlagene Lösung ist klein.“ Das fehlende Personal werde mehr und mehr zur Achillesferse des deutschen Verteidigungsbeitrags, ohne dass die Fragebogen-Verstärkung“ daran etwas ändern werde. „Eine Wiederbelebung der Wehrpflicht in angepasster Form sollte erstens zur Verstärkung der aktiven Truppe substanziell beitragen und zweitens zum Aufwuchs der Reserve“, sagte der Sozialdemokrat Bartels.

Der Grünen-Nachwuchs pocht auf Erhalt der Freiwilligkeit. „Junge Menschen dürfen nicht zum Notnagel einer verfehlten Personalpolitik bei der Bundeswehr werden“, warnte Svenja Appuhn, Co-Bundessprecherin der Grünen Jugend, in der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). „Wir erwarten eine klare Zusicherung von Boris Pistorius, dass eine Freiwilligkeit beim Wehrdienst in jedem Fall erhalten bleibt“, sagte Appuhn. Ähnlich äußerte sie sich beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). „Unsere krisengeschüttelte Generation muss gerade schon genug mitmachen“, sagte Appuhn dort. Sie forderte zudem, dass Freiwilligendienstleistende Wehrdienstleistenden gegenüber gleichgestellt werden.

Der neue Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, Marcus Faber (FDP), begrüßte hingegen die Pläne. Im Bayerischen Rundfunk sagte Faber am Donnerstag: „Es geht heute nicht mehr darum, zehn Millionen Menschen unter Waffen zu stellen. Sondern es geht darum, im Nato-Verbund die Bündnisaufgaben zu erfüllen.“ Eine Wehrpflicht, wie es sie früher gegeben habe, komme „zum Glück nicht wieder zurück. Dafür hat die Bundeswehr nämlich keinen Bedarf.“

Das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgestellte Modell sei eine „sinnvolle Variante“. Damit würden zwei Probleme gelöst: „Zum einen die jetzt 20.000 nicht besetzten Dienststellen bei der Bundeswehr dauerhaft besetzen, weil wir Menschen generieren, die sich dafür interessieren. Und zum zweiten eine Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr über eine starke Reserve gewährleisten, so dass wir im Spannungsfall eben nicht nur über 200.000 Soldaten reden, sondern bis zu einer halben Million“, sagte der FDP-Politiker. (dpa, epd)

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