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Politik: Hinter den Linden: Narrenflucht

Langsam trudelt die närrische Saison ihrem Höhepunkt entgegen. Acht Tage noch, dann ist Rosenmontag.

Langsam trudelt die närrische Saison ihrem Höhepunkt entgegen. Acht Tage noch, dann ist Rosenmontag. Für Schunkelgegner höchste Zeit, Reißaus zu nehmen. Am Samstag schwappte die erste Abreise-Welle durch die Republik. Und alle, die sich der Narretei zu entziehen suchen, haben sich diffizile Ziele ausgesucht. Bundespräsident Rau hat das fernste Gastland gewählt, Indonesien, da ist er fast einen halben Globus von Jecken und Hexen entfernt. Die Nummer Zwei im Staate, Bundestagspräsident Thierse, hat sich in den Iran aufgemacht. Nicht ganz so weit weg, aber noch heikler als Indonesien. Verteidigungsminister Scharping hat im Kreis Lahnstein den närrischen Zünften noch seine Pflichtaufwartung gemacht, ehe er den Flieger nach China und Indien bestieg. Morgen geht es weiter. Die zweite Flüchtlingswoge schließt Außenminister Fischer ein, der nach Washington reist, und seinen Staatsminister Volmer, der Kuba besucht.

Der größte Karnevals-Verweigerer heißt Otto Graf Lambsdorff. Jahrelang pflegte der Liberale die Krawattenabschneider, Alaaf- und Helau-Rufer in Washington auszusitzen. Nüchtern betrachtet ist der Karneval die praktischste Reisezeit im Jahr. Der Winter geht einem so langsam auf die Nerven, und statt ihn in Umzügen und Prunksitzungen auszutreiben, kann man ja wärmere Gefilde aufsuchen. Morgen beginnen zwei sitzungsfreie Wochen, Bundestag und Bundesrat pausieren. Der Reisende verpasst nichts. Nur die Parlamentarische Versammlung der OSZE tagt. Aber wer will da schon hin.

Eine Ministerin, die auf Fernreisen verzichtet, ist Renate Künast. Sie durchquert lieber die Pfalz und erklärt, wie sie eine zweite Massenkeulung verhindern will. Künasts Bodenständigkeit ist indes keine Abschottung der großen weiten Welt gegenüber. Die Agrarministerin hat gerade Post aus einem Land erhalten, das in Sachen Entfernung und Problematik gut in den Reisestrauß der flüchtenden Politiker gepasst hätte. Nordkorea hat, ein wenig verspätet, Künast offiziell zur Ernennung als Ministerin gratuliert. Und im Postscriptum einen richtig praktischen Vorschlag gemacht. Ob die Deutschen das viele Fleisch der bald toten Kühe, wenn es denn BSE-frei sei, nicht nach Pjöngjang schicken könnten, statt es zu verbrennen? Darüber muss Künast nun mit ihrer Kollegin, der Entwicklungshilfe-Ministerin, verhandeln. Auch so kann man die fünfte Jahreszeit hinter sich bringen. Künast hätte auch flüchten und nach Argentinien reisen können. Zu gesunden Rindviechern. Im Sommer.

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